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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Dachkante. Sie
gefiel ihr, weil sie sich nicht in den Himmel reckte, sondern verwurzelt
schien, dem Boden sehr nahe. Als sie das Fahrrad vor der Muschel II abstellte, fragte sich Mamma Carlotta,
wie sie Carolin eigentlich finden sollte. Und wie würde ihre Enkeltochter
reagieren, wenn die Großmutter plötzlich vor ihr stand? Aus leidvoller
Erfahrung wusste sie, wie undankbar pubertierende Kinder der Sorge ihrer Eltern
und Großeltern begegneten. War es richtig, beim Oberkellner nach Michael Ohlsen
zu fragen? Oder würde der Junge dann in Verdacht geraten, sich durch private
Besuche von der Arbeit ablenken zu lassen? Oder würde man ihn suchen und ihn
bei dieser Gelegenheit dabei ertappen, dass er mit seiner Freundin zusammen
war, statt zu arbeiten?
    Mamma Carlotta trat unsicher von einem Bein aufs andere. Warum war
sie überhaupt hergekommen? War sie nicht eigentlich nur vor der Matheaufgabe
geflüchtet und dem Bekenntnis, über Bruchrechnung und Dreisatz nie
hinausgekommen zu sein? Während sie vor der Eingangstür des Restaurants auf und
ab ging, bemühte sie sich, wie eine Sylttouristin auszusehen, die auf ihren
Begleiter wartete, um in der Muschel II
ein spätes Mittagessen einzunehmen. Unauffällig lenkte sie dann ihre Schritte
zum Garten des Lokals. Auf der Stelle wirkte sie wie eine interessierte
Jubilarin, die ihren runden Geburtstag im Garten der Muschel II zu feiern gedachte.
    Mit den Händen auf dem Rücken wanderte sie zwischen den Hecken
entlang und betrachtete mit bewundernden Blicken das Ambiente. Dabei horchte
sie genau hin, damit ihr kein verdächtiges Geräusch entging, weder das Seufzen
eines Mädchens, das sich von seinem Vater nicht verstanden fühlte, noch die
besänftigende Stimme eines Jungen, der versuchte, die Situation für seine
Zwecke zu nutzen. Ein Mädchen, das mit seinen Eltern haderte, war schnell
bereit, etwas zu tun, was diesen missfallen würde. Es konnte also nicht falsch
sein, wenn die Großmutter Augen und Ohren offenhielt.
    Auf die Stimmen wurde sie erst aufmerksam, als sie um eine Hecke
herumgegangen war und das Fenster sah, das einen Spaltbreit offenstand.
    Â»Dein Vater! Immer nur dein Vater!«, hörte sie eine Frau sagen, die
der Stimme nach Vera Ingwersen sein musste. »Wann wirst du endlich erwachsen
und triffst deine eigenen Entscheidungen?«
    Â»Ich lasse mich gern von meinem Vater beraten! Warum soll das falsch
sein?« Das konnte nur Veras Mann sein.
    Â»Du musst dich endlich abnabeln, Arne! Es wird Zeit!«
    Â»Was hast du neuerdings gegen meinen Vater?«
    Â»Gar nichts! Im Gegenteil! Du solltest wissen, wie sehr ich ihn mag.
Aber die Muschel II gehört uns, nicht
deinem Vater!«
    Â»Wir haben sie ihm zu verdanken. Er hat sie uns geschenkt.«
    Â»Du bist sein einziger Sohn, irgendwann wirst du sowieso alles
erben. Kein Grund, ihm so schrecklich dankbar zu sein.«
    Â»Du verstehst einfach nicht, was er mir bedeutet. Ich wollte, ich
wäre so wie er. Du ahnst ja nicht, wie mutig er ist.«
    Â»Erzähl’s mir.«
    Â»Ich will darüber nicht reden.«
    Mamma Carlotta sah nun einen dunklen Anzug am Fenster, erschrocken
wich sie zurück. Aber Arne Ingwersen blickte nicht hinaus, sondern drehte dem
Garten den Rücken zu.
    Â»Das hätte ich mir denken können!« Veras Stimme klang bitter. »Wann
redest du überhaupt noch mit mir? Wenn es ums Geschäft geht, ist dein Vater
dein Ansprechpartner, und wenn es ums Privatleben geht …«
    Mamma Carlotta sah, dass Arnes Hand zum Fenstergriff tastete, als
suchte er Halt.
    Nach kurzem Zögern fuhr Vera fort: »Ich frage mich oft, was du
denkst und fühlst. Aber ich erfahre es nicht. Mir vertraust du dich nicht an.«
    Arnes steifem Rücken war anzusehen, dass seine Frau auf ihn
zugetreten war.
    Â»Warum, Arne? Mit wem redest du, wenn du Sorgen hast?«
    Nun entfernte sich Arne vom Fenster, wahrscheinlich flüchtete er zur
Tür.
    Â»Ist sie jünger als ich? Hübscher? Schlanker?«
    Die unerschütterliche Vera, die überall im Leben ihren Mann stand,
war eifersüchtig! Auf ihren Schwiegervater und anscheinend auch auf eine Frau,
mit der ihr Mann sie betrog. Mamma Carlotta war erschüttert. Da sah man es mal
wieder: Männer waren undankbar. Statt glücklich mit einer Frau zu sein, die so
viel leistete wie Vera, sahen sie sich nach einer Jüngeren, Hübscheren, Schlankeren
um. Mamma

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