Tod im Dünengras
auf dem besten Wege war,
den Luxus einzubüÃen. Aber so sehr die weiÃe Farbe auch bröckelte, eins blieb
dem Haus und würde es wohl immer attraktiv machen: der herrliche Blick aufs
Meer.
Jens Möllers erwartete sie am Eingang des Parkplatzes, sehr ernst,
sehr würdevoll. Er hob eigenhändig die Schranke an, damit Sören hindurchfahren
konnte. Möllers sah aus, als würde der Mieter des Apartments, der aus dem Leben
geschieden war, in der nächsten Stunde zu Grabe getragen.
Er ging Erik und Sören voraus, gemeinsam fuhren sie im Fahrstuhl in
die oberste Etage. Möllers schloss die Tür eines Apartments auf und trat dann
zur Seite, um den Polizeibeamten den Vortritt zu lassen.
Das Erste, was Erik sah, war das Meer. Es füllte die untere Hälfte
des groÃen Fensters aus, die obere gehörte dem Himmel. Nur wenn man sehr nah
ans Fenster trat oder gar auf den Balkon ging, konnte man den Strand sehen und
das bunte Treiben auf der Kurpromenade erkennen. Wer in der Nähe der Tür stehen
blieb, mochte den Eindruck gewinnen, mit der Aussicht auf Himmel und Meer
allein zu sein.
Erik sah sich um. Der Wohnraum des Apartments war gemütlich
ausgestattet. Eine Schrankwand, eine geschmackvolle Sitzgarnitur, ein kleiner
runder Glastisch davor. Der helle, flauschige Teppich, die farbigen
Lampenschirme und die Bilder mit den italienischen Landschaften sorgten für
Behaglichkeit. Soweit ein unbewohntes Apartment behaglich sein konnte â¦
Jens Möllers stieà ein nervöses Lachen aus. »Wo sind denn seine
Sachen? Der hat das Apartment doch bis zum Jahresende reserviert.«
»Alles leer!«, rief Sören aus dem angrenzenden Schlafzimmer. Und
dann: »Das Badezimmer ist auch ausgeräumt.«
Erik wandte sich zu Jens Möllers um. »Wer hat noch einen Schlüssel?«
»Es gibt je drei Schlüssel für jedes Apartment. Einer hängt in
unserem Büro, die andere beiden geben wir an den Mieter aus.«
»Zwei Schlüssel?«
Möllers nickte. »Den anderen haben vielleicht die Freunde?«
»Was für Freunde?«
Jens Möllers sah Erik ängstlich an. Es schien ihm nicht zu behagen,
dass er mehr wusste als die Polizei. »Signor Capra â¦Â«
»Hat er sich so genannt?«
Möllersâ Blick wurde noch ängstlicher. »HeiÃt er etwa nicht so?«
Erik winkte ab. »Was wollten Sie sagen?«
»Signor Capra hat auch das Apartment nebenan reserviert. Für seine
Freunde, hat er gesagt.«
»Zwei Männer? Zwei Frauen? Ein Paar?«
Aber Möllers zuckte nur die Achseln. »Ich weià es nicht. Ich habe
diese Freunde nie gesehen.«
»Haben Sie den Schlüssel für das andere Apartment dabei?«
Das war zwar nicht der Fall, aber Jens Möllers besaà einen
Generalschlüssel. »Für Notfälle!«
Erik versicherte ihm, dass dieser Notfall nun eingetreten sei. Zwei
Minuten später standen sie in einem Apartment, das dem ersten sehr ähnlich war.
Genau wie das andere sah es so aus, als wären die Bewohner soeben abgereist.
Aus beiden Wohnungen war alles entfernt worden, was Rückschlüsse auf die
Bewohner und ihre Identität zugelassen hätte.
»Sieht aus, als hätten diese sogenannten Freunde die Flucht
ergriffen«, meinte Sören. »Die haben alles mitgenommen.«
»Auch das, was Francesco gehörte. Warum wohl?«
»Damit er nicht so schnell identifiziert werden kann«, kam es prompt
von Sören zurück. »Die konnten ja nicht ahnen, dass ihnen das nichts nützen
wird, weil sich eine angeheiratete Verwandte auf Sylt aufhält.«
Erik griff nach dem Handy. »Die beiden hatten es vermutlich sehr
eilig wegzukommen, als ihnen klar wurde, dass Francesco tot ist.«
»Woher wussten sie das überhaupt?«, fragte Sören.
Erik zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls haben die in der Eile
sicherlich Spuren hinterlassen. Vetterich muss mit seinen Leuten kommen.
Sofort!«
Mamma Carlotta entschloss sich, wahrend der Fahrt nach
Keitum das ganze Chor-Programm noch einmal gründlich zu üben. Zum Glück war sie
mit dem Fahrrad eine Weile unterwegs, sodass sie, als die St.-Severin-Kirche in
Sicht kam, das gute Gefühl hatte, ihr Defizit aufgeholt zu haben. Während der
Aufregungen des Tages war ihr jede Melodie im Halse stecken geblieben, und
während sie nun der Chorprobe entgegenradelte, hatte sie ein schlechtes
Gewissen.
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