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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Eigentlich hätte sie alle Lieder sorgfältig üben und die Texte
sämtlicher Strophen gewissenhaft auswendig lernen müssen. Schließlich wollte sie
Vera Ingwersen nicht enttäuschen, die ihr die Chance gegeben hatte, beim
Chorwettbewerb mitzumachen.
    Zu dumm aber auch, dass Carolin sich zurzeit so selten zu Hause
aufhielt und nicht mit ihr üben konnte. Ständig war sie mit ihrem Freund
zusammen, am Süder Wung war sie lediglich auf Stippvisite, und auch nur dann,
wenn ihr Vater nicht anwesend war. Dieser törichte Streit zwischen den beiden
machte alles kaputt. Ob Erik sich darüber klar war, dass er seine
sechzehnjährige Tochter geradezu in die Arme und womöglich sogar ins Bett ihres
Freundes trieb?
    Da Felix sich, sobald im Hause Wolf gesungen wurde, davonmachte oder
sich hinter seiner schrecklichen Musik versteckte, war das Familienleben
praktisch zum Erliegen gekommen. Ein trauriger Zustand! Nur gut, dass Giovanna
am nächsten Tag auf Sylt eintreffen würde. Mamma Carlotta freute sich auf ihre
Gesellschaft.
    Sie war froh gewesen, dass
Erik ihr die Aufgabe übertrug, die Familie von Francescos Tod zu informieren.
Nicht auszudenken, wie in Chiusi das tragische Ereignis aufgenommen worden
wäre, wenn Erik in seiner emotionslosen Art die entsetzliche Todesnachricht
überbracht hätte! Sören, Dr. Hillmot, Enno Mierendorf und Rudi Engdahl hätten
es sicherlich auch nicht besser erledigt. Eine solche Botschaft musste schon am
Tonfall der Begrüßung zu erahnen sein, das Mitleiden hatte durch die
Telefonleitung zu dringen, damit der arme Mensch, dem die entsetzliche
Botschaft überbracht werden musste, vor der Verzweiflung bewahrt wurde. Eine
solche Aufgabe konnte man keinem gewöhnlichen Sylter anvertrauen.
    Wie erwartet, war am anderen Ende der Telefonleitung nicht mehr die
Rede von Francescos Schandtaten gewesen, sondern nur noch von seiner Reue,
seiner Rückkehr auf den rechten Weg und dem deutschen Mädchen, das er heiraten
wollte. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass niemand den Namen des
Mädchens kannte, um den Francesco ein Geheimnis gemacht hatte.
    Â»Sie wird sich sicherlich bei uns melden«, hatte Maria, Francescos
Mutter, geseufzt. »Und dann soll sie zur Familie gehören, als wäre es meinem
Jungen noch vergönnt gewesen, sie zum Traualtar zu führen.«
    Laut klagend erging sie sich in der Ungerechtigkeit der Welt, der
ihr hoffnungsvoller Sohn zum Opfer gefallen war, nachdem er gerade alles
wiedergutmachen wollte, was er seiner Familie im jugendlichen Leichtsinn
angetan hatte. Als Maria hörte, dass Francescos Leiche von einem Angehörigen
identifiziert werden musste, wurde das Wehklagen am anderen Ende der Leitung so
laut, dass Erik die Küche verließ, um sich im Wohnzimmer eine Pfeife zu
stopfen. Wie er richtig vermutete, hatte das Weinen, Schluchzen und Jammern
noch kein Ende gefunden, als er, in Tabakrauch gehüllt, in die Küche
zurückkehrte. Es verstummte erst, als Mamma Carlotta den Vorschlag machte,
Marias Schwester Giovanna mit dieser schweren Aufgabe zu betrauen, die jeder
Mutter das Herz zerreißen musste.
    Giovanna war emotional weniger angegriffen vom schrecklichen Ende
ihres Neffen, dessen frühe Lieblingsbeschäftigung es gewesen war, ihre
Handtaschen mit Filzstiften zu bemalen, und seine spätere, sie vom Geld für die
Rückfahrkarte zu befreien. Sie konnte nur mit Mühe ihre Freude darüber
verhehlen, dass dieser Anlass sie wieder nach Deutschland führen würde. Und
ihre Freude wurde geradezu überschwänglich, als sie hörte, dass Mamma Carlotta
sich auf der Insel einem Chor angeschlossen hatte. Als das Gespräch bei den
Erinnerungen Giovannas an die wunderschöne Zeit in München an der Seite des
Schlagersängers und den Hoffnungen auf eine eigene Gesangskarriere angekommen
war, hatte Erik dafür gesorgt, dass das Telefonat beendet wurde.
    Als die Muschel II in
Sicht kam, fühlte Mamma Carlotta sich einigermaßen vorbereitet auf die
Chorprobe. Wenn da nur nicht die Sorge um Carolin gewesen wäre! Nach der
Rückkehr von Käptens Kajüte hatte sie nur einen Zettel auf dem Küchentisch
vorgefunden: »Bin schon in Keitum. Du findest doch den Weg allein? Bis später!
Carolin.«
    Als Carlotta die Tanzschule Jäger betrat, kam es ihr so vor, als
habe Willem Jäger auf sie gewartet. Er hielt sich im Eingangsbereich auf,

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