Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Titel: Tod im Ebbelwei-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
Vom Netzwerk:
hartnäckig schweigen, zu komplex, zu kompliziert war sie.
    Von der Louisa war er die Mörfelder Landstraße entlanggelaufen, um sich ein wenig Bewegung zu verschaffen, auch hatte er noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Treffpunkt. In den vorbeifahrenden Bussen waren die Eintracht-Fans wie die Ölsardinen zusammengepfercht. Eine Frechheit, daß man nicht die Gelenkbusse einsetzte, die fast doppelt so groß waren, aber mit den postmodernen Plebejern konnte man es ja machen.
    Ein beklemmendes Gefühl hatte Herrn Schweitzer wieder einmal beschlichen, als er am Haus einer Bankiersfamilie vorbeigegangen war, deren kleiner Sohn Opfer eines der abscheulichsten und zugleich unverständlichsten Verbrechen der Nachkriegszeit geworden war. Bis vor kurzem war die Hofeinfahrt noch mit Blumen, Sturmlichtern und Plüschtieren, die von Klassenkameraden, Spielfreunden und der Anteil nehmenden Bevölkerung dort hingestellt worden waren, gesäumt gewesen. Ein bißchen schämte er sich, weil er froh war, als diese Örtlichkeit hinter ihm lag. Der Mensch verdrängt halt gerne.
    „Ich dachte schon, du würdest kneifen“, empfing ihn Weizenwetter am Stadion.
    „Da hast du dich aber geschnitten. Hier bin ich. Laß uns reingehen.“
    „Moment, Moment, nicht so eilig, wir sind hier nicht auf der Flucht. Traditionell gibt’s hier nämlich erst mal eine Bratwurst.“ Weizenwetter deutete mit dem Daumen nach hinten und entschwand, bevor Herr Schweitzer etwas erwidern konnte.
    Drei Minuten später war er wieder da und überreichte dem Stadiondebütanten mit der Grazie eines französischen Weinkellners eine mit Brötchen ummantelte Bratwurst. Den Senf dazu gab’s aus Tuben, die wie Euter aussahen und an einem Metallgestell hingen. Weizenwetter erklärte ihm, den Bratwurst-Walter gäb’s schon seit vielen Jahrzehnten an dieser Stelle, er sei eine nicht wegzudenkende Institution und mithin der einzige Stand in und ums Stadion, der ein annähernd gerechtes Preis-Leistungsverhältnis biete. Herrn Schweitzer schmeckte es und der Senf tropfte unbemerkt auf seinen Trenchcoat.
    Die blauweißen Fans waren bestimmt die Rostocker, dachte er, als man in einer Menschentraube vor dem Eingang stand. Wie er vermutete wurden die Besucher nach Messern, Morgensternen und Maschinengewehren abgetastet. Das war beruhigend und beunruhigend zugleich, doch schienen alle daran gewöhnt zu sein und hoben schon mal die Arme, obwohl sie noch gar nicht dran waren. Ob die zwei stiernackigen Gestalten in der Nebenreihe wohl Neonazis waren, von denen man gehört hatte, daß sie die Stadien für ihre Zwecke mißbrauchten? Herr Schweitzer nahm es mal an und wünschte sich, um etwas anderes gewettet zu haben. Hinter den Toren erklärte ein Schild einen Baum zur Tilly-Fleischer-Eiche. Baum war vielleicht übertrieben, ein zarter Trieb käme dem schon näher.
    „Wer ist denn das?“ Herr Schweitzer deutete auf die in Startposition für einen Sprint befindliche Bronzefigur.
    „Tilly Fleischer.“
    „Aha.“ Er durchkämmte sein Gedächtnis nach Verwertbarem, aber da war nichts. „Und wer ist das?“
    „Hat bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin eine Rolle gespielt. Goldmedaille im Speerwurf, startete für die Eintracht.“
    Solchermaßen fortgebildet bog man auf die Gerade ein, die zur Haupttribüne führte und die an ihrem Ende von gut zwei Dutzend Polizeiwagen flankiert war. Soso, dachte Herr Schweitzer, rechnete man also fürwahr mit Krawallen. Das kann ja heiter werden. Unbewußt schloß er zu Weizenwetter auf.
    Keine zehn Minuten darauf saßen sie auf ihren Sitzplätzen auf der Gegentribüne, die so hieß, weil sie sich gegenüber der Haupttribüne befand, das heißt, befinden sollte, denn die Haupttribüne war noch eine Baustelle im Anfangsstadium, so daß man dahinter noch sehr schön die Frankfurter Skyline zwischen den Baumwipfeln sehen konnte, wenn auch nur unscharf, denn, wie gesagt, es handelte sich um einen sehr grauen Tag. So war die künftige Gegentribüne, die vorab schon mal so genannt wurde, die gegenwärtige Haupttribüne, was die Sitzplatzinhaber insofern aufwertete, als daß es dem Image doch sehr zuträglich war, auf der Haupt- statt lediglich auf der Gegentribüne zu sitzen. Solche Feinheiten waren dem Schweitzer-Simon natürlich verschlossen, der fasziniert den Akteuren beim Aufwärmen zuschaute und sich in seiner Einfalt fragte, warum die sich so ins Zeug legten. War das vielleicht so eine Art Vorentscheidung, wer letztlich spielen durfte? Mehr

Weitere Kostenlose Bücher