Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
Alten Oper, in Hibbdebach also, und war eine ernste Herausforderung für jeden, der glaubte, Österreich gehöre zum deutschen Sprachraum. Hernach war man nicht, wie geneigte Zeitgenossen glauben mochten, im Weinfaß eingekehrt, sondern schnurstracks zu Maria von der Heide gegangen, die nach dem Konzert einen wohl von der Musik inspirierten, unglaublichen Kreativschub verspürte, den sie sofort bildhauerisch umzusetzen gedachte. Herr Schweitzer hatte dafür, obwohl selbst künstlerisch eine ausgemachte Niete, volles Verständnis, zumal Maria mit ihren Skulpturen Höchstpreise erzielte, und manch teuren Abend wie den heutigen erst ermöglichte.
Es trug sich am darauffolgenden Donnerstag zu, als Maria und Karin im Weinfaß verabredet waren. Voller Stolz trug sie einen braunen Umschlag, in dem etwa hundertsiebzig Seiten Roman steckten, in einem Jutebeutel mit sich herum, um ihn Karin zur Korrektur zu übergeben. Herr Schweitzer, der das im Werden begriffene Buch natürlich schon gelesen hatte, fand, daß seine Liebste auch hierfür mit reichlich Talent ausgestattet war. Mit viel Freude am Detail hatte sie die infernalischen Ereignisse niedergeschrieben, so daß Herr Schweitzer manchmal sogar etwas gereizt reagiert hatte, was seinem ureigensten Wesen widersprach, wenn Maria mal wieder in einer der unzähligen Sitzungen von ihm Sachen wissen wollte, an die er sich partout nicht erinnern konnte und die ihm so nebensächlich erschienen, daß sie ihm vermutlich nicht einmal in dem Moment selbst aufgefallen waren. Wie dem auch sei, das Buch war fertig und Herr Schweitzer war stolz auf seine Maria.
Karin war noch nicht da, als sie das spärlich beleuchtete Lokal betraten. Herr Schweitzer grüßte ein paar Stammgäste mit Kopfnicken. Am Tresen hielt sich Weizenwetter fest. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er schwankte beträchtlich. Offenbar hatte ein Teil des Weizenbieres nicht den Weg in die Speiseröhre gefunden, sondern sein weißes Button-Down-Kragen-Hemd befleckt. Eine Dame mit kreischend roter, vogelnestartiger Haarpracht zierte Weizenwetters rechte Seite. Wo er die wohl wieder aufgegabelt hatte?
„Uschi. Maria, das iss Uschi. Maria. Uschi, das iss Maria.“
„Angenehm.“
„Hallöchen.“
„Uschi, das iss Herr Schweitzer. Herr Schweitzer, das iss Uschi.“
„Freut mich“, sagte Herr Schweitzer.
Uschi guckte etwas irritiert, wußte nicht recht, wie das Herr bei Herrn Schweitzer zu bewerten sei.
Doch Herr Schweitzer erlöste sie: „So ein Quatsch, ich bin der Simon.“
„Freut mich auch, Simon.“
Aus dem Off war Bertha zu vernehmen: „Dasselbe wie immer, ihr zwei Hübschen?“
Zwei Gläser kalifornischen Rotweins wurden gereicht. Dann unterhielt man sich übers Wetter. Der von allen sehnlichst erwartete Frühling ließ sich feiern, war man sich einig. Schlimmer noch, zwei Tage zuvor war auf Deutschlands Straßen ein Schneechaos ausgebrochen.
Irgendwann mußte Maria auf die Toilette. Geschickt wurde dieser Umstand von Weizenwetter zur Offensive genutzt. Er überreichte Herrn Schweitzer eine Eintrittskarte für das kommende Heimspiel der Eintracht gegen Schalke.
„Was ist das?“
„Eintrittskarte gegen Schalke. Du kommst mit.“
Gut. Okay. Zwar hatte er seit dem Spiel gegen Rostock interessiert das Auf und Ab der Eintracht im Abstiegskampf verfolgt, aber wie kam Weizenwetter auf die aberwitzige Idee, daß er bereits zum passionierten Stadiongänger avanciert sei?
„Nö.“
„Doch. Du kommst mit.“
„Nö.“
So ging das noch eine Weile hin und her.
Die Stunde der Wahrheit war gekommen, als Maria wiederkam. Blitzschnell verschwand das Ticket zum Gipfel männlicher Glückseligkeit in Herrn Schweitzers Jackentasche.
Maria hatte nichts bemerkt.
Dann kam Karin Schwarzbach. Seit dem Tod ihres widerlichen Gatten und Frankfurter Stadtverordneten vor zwei Jahren war sie regelrecht aufgeblüht. Heute trug sie unter einer gefütterten Jeansjacke, wie sie wieder in Mode waren, ein gebatiktes orangelilafarbenes T-Shirt, das ihre Figur betonte und Männerblicke absorbierte. Ihr Liebesleben soll, wie man hörte, abwechslungsreich bis hin zum Hedonismus geworden sein.
„Hallihallo. Sorry. Hab mich verspätet.“ Küßchen hier. Küßchen da.
Maria überreichte ihr feierlich das Manuskript und die Unterhaltung drehte sich fortan um die Schriftstellerei. Später, als sämtliche Konversationsthemen erschöpft waren, Maria ein Gähnen unterdrückte, und man Weizenwetter für heute gänzlich abschreiben
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