Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
‘92?“
„Meisterschaft verspielt“, kam es so knapp als irgend möglich von links.
„Aha. Wenn ich dich richtig verstehe, hat die Eintacht damals 1992 mit einer 1:2-Niederlage gegen Hansa Rostock die Deutsche Fußballmeisterschaft verspielt. Kann man das so stehen lassen?“
„Nö.“
„Nein?“
„Nö.“
„Wieso nein?“
„Verpfiffen.“
Oh, oh, oh, scheint wohl ein ausgewachsenes Trauma zu sein, dieses 2:1. Und schuld soll natürlich mal wieder der Schiedsrichter gewesen sein. Aber wie auch immer, besonders nett war das natürlich nicht von den Hansa-Fans, nach zwölf Jahren weiterhin Salz in die Wunden zu streuen.
Herr Schweitzer war’s noch nicht zufrieden: „Und Rostock ist dann Deutscher Meister geworden, 1992?“
Weizenwetters Blick signalisierte ihm, eine unter Fußballenthusiasten doch ziemlich dämliche Frage gestellt zu haben. Auch hatte sich schon der ein und andere vor ihnen mißbilligend umgedreht.
„Abgestiegen sind die Arschlöcher. Aber uns haben sie die Meisterschaft versaut. Deppen. Und jetzt konzentrier dich verdammt noch mal aufs Spiel.“
Herr Schweizer tat, wie ihm geheißen.
Die Eintracht vergab kurz hintereinander zwei Großchancen, wofür er von Weizenwetter im Eifer des Gefechts hart aber herzlich ein paar Rippenstöße verabreicht bekam. Allgemein war man nun um ihn herum sehr intensiv bei der Sache. Ohs und Ahs entfuhren in unterschiedlichen Lautstärken der Zuschauer Münder. Obwohl Herr Schweitzer sich dagegen wehrte, war die Spannung auch auf ihn übergegangen. Schließlich ging es auf dem Rasen um den Abstieg, die nackte Existenz also.
Und da dem so war, schien es nur logisch, daß die Eintracht-Fans in sich zusammensanken, als Rostock neun Minuten vor Schluß der nicht unverdiente Ausgleich gelang. Köpfe wurden in Hände vergraben, ein vielstimmiges Klagen und Jammern erfüllte das Stadionrund. Nur die kleine Schar Gästefans war aus dem Häuschen, schwenkte weißblaue Winkelemente und verlangte vehement nach einem „Auswärtssieg, Auswärtssieg.“
Dann wurde die Partie abgepfiffen, man strömte den Ausgängen zu. Der Hansa-Block war von der Polizei abgeriegelt worden, damit es nicht unmittelbar nach Spielende zu einem Aufeinandertreffen der Fangruppen kam.
Abermals wurde beim Bratwurst-Walter eine Zwischenstation eingelegt, diesmal wegen der vorzüglich mundenden Fischbrötchen, wie Weizenwetter sich etwas pathetisch ausdrückte.
Da Herr Schweitzer sich hernach hartnäckig weigerte, seinen doch etwas übergewichtigen Körper in den überfüllten 61er Bus zu wuchten, nahmen sie die Straßenbahn, was den Nachteil hatte, an der Stresemannallee umsteigen zu müssen. Für den späteren Abend verabredeten sie sich im Weinfaß, was insofern überflüssig war, als dort sowieso fast jeder Samstagabend seinen Ausklang fand. Und andere Abende auch. Es war quasi das Wohnzimmer um die Clique von Maria und Simon geworden.
„Hallöchen, Maria“, rief Herr Schweitzer frohgelaunt, als er ihr Heim auf dem Lerchesberg betrat.
Eilig kam sie herbei und empfing ihn mit einem saftigen Kuß. „Gott sei Dank ist dir nichts passiert.“
Natürlich hatte Herr Schweitzer zu diesem Zeitpunkt bereits seine eigenen Bedenken betreffs des Stadionbesuches vergessen.
„Was soll mir denn passiert sein? War absolut locker, die Chose. Echt easy.“
Maria runzelte die Stirn, ging einen Schritt zurück, musterte ihren Freund argwöhnisch und fragte: „Und wie haben sie gespielt?“
„Gut, war okay, soweit.“
„Ich meine das Ergebnis.“
„Ach so.“ Herr Schweitzer hatte alles erwartet, aber nicht, daß Maria sich dafür interessieren könnte, wie die Eintracht gespielt hatte. Er brannte darauf, ihr die Dinge zu berichten, die sich in einem erweiterten Zusammenhang damit befanden, aber mit dem Eregebnis im speziellen war er auf die Schnelle überfragt. Also schob er eine Kunstpause ein, in der er sich über die Haare strich, die wild nach allen Seiten abstanden. „Das Ergebnis also, unentschieden würde ich sagen, eins zu eins, vielleicht, nein, nein, ganz bestimmt sogar, eins zu eins. Ganz sicher. Ein Schwarzer hat auch mitgespielt.“
„Hat der Herr sich wohl zu sehr auf die Cheerleader konzentriert.“
Cheerleader? Hatte er da was verpaßt? Waren sie vielleicht zu spät gekommen? Er nahm sich vor, bei Gelegenheit Weizenwetter danach zu fragen. Er ging in die Küche. Heute abend gab’s noch mal feurigen Goulasch mit Klößen, den er gestern abend schon zubereitet
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