Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
hatte. Am zweiten Tag schmeckt dieses Gericht aber besser, da ist das Fleisch schön faserig.
Maria und Herr Schweitzer waren an diesem Abend erst zu vorgerückter Stunde im Weinfaß erschienen. Ein neues, fatal ausgeschnittenes Oberteil Marias hatte noch ein paar sündige Sexualpraktiken zur Folge gehabt.
Das Taxi fuhr durch den Graupelschauer. Die Regentropfen tanzten im Scheinwerferlicht. Es war eine unangenehme Kälte, die feucht durch die Kleidung drang. Am Ziegelhüttenplatz endete die Fahrt.
Im Weinfaß ging’s hoch her. Herr Schweitzer erblickte am Tresen Karin Schwarzbach und Weizenwetter. An einem als Tisch dienenden umgedrehten Holzfaß standen ein paar anämische Walpurgisnachtbräute, die es ganz offensichtlich darauf angelegt hatten, sich mächtig zu betrinken.
„Hallo Maria, hallo Simon. Wie geht’s euch denn? Ihr seid aber spät heute.“ Karin sah entzückend aus in ihrem figurumschmeichelnden Glencheck-Kostüm mit Reverskragen.
Maria zwinkerte ihrer Freundin zu, gab damit zu verstehen, daß der Verspätungsgrund im Intimbereich lag und daß es sich gelohnt habe.
Herr Schweitzer spürte Karins prüfenden Blick. Geradenwegs so, als wäre ihm mitreißender Sex nicht zuzutrauen. Dann wandte sie sich wieder an Maria: „Sag mal, wann ist das Buch denn jetzt fertig?“
„Was für ein Buch?“ fragte Weizenwetter.
Maria wollte abwiegeln, hatte die entsprechenden Gesten schon eingeleitet, doch Karin kam ihr zuvor: „Sag bloß, das weißt du noch nicht? Maria schreibt doch über das Geiseldrama, in das Simon letztes Jahr verwickelt war.“
„Oh, das ist aber stark. Kann man das auch mal lesen?“
„Später. Ich soll erst mal die Rechtschreibung überprüfen.“
„Du?“
Das war jetzt aber nicht sehr nett vom Weizenwetter.
„Na hör mal, ich hatte früher eine glatte Eins in Deutsch.“
Jetzt war Weizenwetter doch beeindruckt.
In der Tat wurde Herr Schweitzer seit einigen Monaten von Maria sehr oft in Beschlag genommen, um ihr immer wieder haarklein zu berichten, was und wie sich damals am Schweizer Platz alles zugetragen hatte. Geboren wurde die Idee zwei Tage nach dem Ende des Verbrechens, das hiernieden in Sachsenhausen für immenses Aufsehen gesorgt hatte. Eigentlich hatten Maria, Karin und Bertha ja Herrn Schweitzer gedrängt, das Abenteuer prosaisch zu verarbeiten, doch dieser hatte sich damit herausgeredet, diesbezüglich überhaupt kein Talent zu besitzen. So hatte sich Maria nach etlichen Gläsern Bordeaux unter den Voraussetzungen dazu bereit erklärt, daß erstens Simon mitarbeitete, und zweitens Karin die Rechtschreibung, speziell die Interpunktion, korrigierte.
„Und wie soll das Buch heißen?“ wollte Weizenwetter wissen.
„Geiseldrama in Dribbdebach.“
Es ging schon scharf auf halb eins zu, man plauderte leichthin über das Leben, was bei der Schwere desselben einen fortgeschrittenen Alkoholkonsum voraussetzte, als vier Gestalten das Weinfaß betraten, die dem Augenschein nach Tagediebe, Gammler oder Ähnliches verkörperten. Zwei von ihnen, deren Alter auf keinen Fall über dreißig war, trugen speckige Trainingsanzüge. Daß sie zu viert lediglich zwei kleine Wasser bestellten, wurde damals dahingehend interpretiert, daß die armen Kerle sich vielleicht nur aufwärmen wollten. Das war im Gaststättengewerbe nichts Außergewöhnliches. Und die Wirtin Bertha nahm es auch eher heiter zur Kenntnis, denn an diesem Abend stimmte die Kasse bereits. Die jungen Leute osteuropäischen Einschlags blieben bis Betriebsschluß und Bertha tat es fast schon im Herzen weh, als sie die Vier dann vor die Tür setzen mußte.
Die Frage nach den Cheerleadern, die Herr Schweitzer heute nachmittag verpaßt zu haben glaubte, wurde von Weizenwetter mit der Frage gekontert, ob bei ihm vielleicht ein paar Schrauben locker seien. Hatte er’s doch gewußt, der Herr Schweitzer, Maria hatte eben keinen blassen Schimmer von der Eintracht. Cheerleader. Beim Fußball. So ein Quatsch.
Am Montagmorgen kaufte sich Herr Schweitzer zusätzlich zur Tageszeitung erstmals in seinem Leben den Kicker, um zu überprüfen, ob seine Sicht des Geschehens in irgendeiner Form mit denen der professionellen Berichterstattung korrespondierte. Außerdem interessierte ihn der Tabellenstand der Eintracht, was sich nicht wirklich mit soziologischen Untersuchungen begründen ließ.
Am Sonntag, den 7. März war Herr Schweitzer mit seiner Liebsten Maria in Sachen Kultur unterwegs. Hubert von Goisern spielte in der
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