Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
großartig von Erfahrungswerten sprechen konnte, auch in der Literatur gebe es kaum Verwertbares darüber, doch soweit ihm, René, bekannt sei, beherrschen einige von denen bereits die deutsche Sprache, so blöd wie die Italiener können die also gar nicht sein, doch benötige man auch hier ein Fanal, zur Abschreckung, versteht sich.
Was René sagte, war so falsch nicht. Doch auch Marias Argumente waren schwerlich von der Hand zu weisen. Eingedenk dessen entbrannte eine lebhafte Diskussion darüber, welcher Ort für ein Fanal denn nun der beste sei. Vieles mußte berücksichtigt werden. Buddha Semmlers Vorschlag, den Ebbelwei-Expreß nach Offenbach zu lenken, dort treffe es zur Not nur Offenbacher, wurde vom Rest als menschenverachtend abgetan, so dürfe man nicht denken, sie seien doch keine Rassisten. Semmler zuckte gleichgültig mit den Schultern, nein, Rassist sei er bis auf diese winzige Ausnahme auch keiner, nicht mal Ebbelweikneipen hätten die in Offenbach, von was leben die überhaupt, aber gut, wenn ihr meint, dann halt nicht. Doch auch andere, weniger originelle Ideen brachten es nicht bis zur endgültigen Akzeptanz.
Wie so oft war es wieder mal Herr Schweitzer, der durch innovative Geistesgaben auf sich aufmerksam machte, indem er erklärte, daß, wolle man Aufmerksamkeit und trotzdem keine Unschuldigen erschossen haben, dafür eigentlich nur eine Brücke in Betracht zu ziehen sei, da stünden rechts und links keine Häuser, eventuelle Querschläger würden also wirkungslos irgendwo im Nirgendwo verpuffen, und Passanten habe es da auch nicht viele, zumal dann nicht, nehme man als Tag X einen Sonntag, am besten vor dem Mittag, da schlafen noch alle, kaum einer sei schon auf den Beinen. Das alles setze natürlich ein ausgezeichnetes Timing voraus, so eine Brücke sei ja nicht ewig lang, ganz im Gegensatz zu seinem Vorschlag, dem Waldstück zwischen Isenburg und der Louisa, aber das habe man ja leider abgelehnt, was er nicht so recht verstünde, Fanal hin, Fanal her. „Aber ich bin ja nicht nachtragend, ich doch nicht.“
Da überhaupt nur zwei schienenbewährte Brücken über den Main führten, die Friedensbrücke fast schon zu Niederrad gehörte, einigte man sich auf die Ignatz-Bubis-Brücke, ehemals Obermainbrücke, woraufhin Buddha Semmler noch beiläufig hinzufügte, er kämpfe nicht aus dem Glauben an das Gute im Menschen, sondern weil er nicht gegen seine Überzeugung leben kann, das sei von Selim Özdogan, den habe er gerade gelesen. Und dann knallten die Korken wirklich.
Fast, aber nur fast wäre es drei Tage später soweit gewesen. Doch wie so oft, wenn es galt, sich unangenehmer Dinge zu entledigen, kam man nicht so recht voran, was aber, der Fairneß halber sei das mal erwähnt, nicht an den Russen lag. Die waren nämlich schon des Freitags im Weinfaß aufgekreuzt, obgleich die Mai-Rate noch gar nicht fällig war. Möglicherweise wollten sie einfach nur mal so vorbeischauen und sich amüsieren, schließlich sind das ja auch nur Menschen, wenngleich so überflüssig wie Schmeißfliegen. Jedenfalls hatte Bertha die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, um mit den Heinis mal Tacheles zu reden, daß sie nun, da sie Schutzgeld bezahle, von dem Vertragspartnern auch Schutz erwarte. So laufe das nun mal in der Marktwirtschaft, hier könne man sich nicht auf Kosten anderer einen faulen Lenz machen wie im Kommunismus mit seinen Fünfjahresplänen, wo sowieso alles drüber und drunter gegangen war, wie man im Nachhinein wußte.
Dies hatte Bertha mit der ihr eigenen Vehemenz vorgetragen, doch getreu dem Zuckerbrot-und-Peitschen-Motto biederte sie sich zeitweise auch an, als sie nämlich Verständnis dafür aufbrachte, daß man in der postindustriellen Gesellschaft von heute zusehen müsse, wo man bleibe, und so Schutzgelder hätten ja auch ihr Gutes, man fühle sich da gleich viel geborgener, vor allem, wenn einem die Italiener im Nacken sitzen. Apropos Italiener, die seien eine echte Landplage und schlügen permanent über die Stränge, und wenn sie, die Russen, sich ernsthaft auf dem Markt etablieren wollten, bliebe ihnen gar nichts anderes übrig, als sich mit diesem Eitergeschwür von Cosa Nostra auseinanderzusetzen. Sie, Bertha, wäre bereit, ein Treffen zu arrangieren, das sei ganz klar im Interesse aller.
Wie nicht anders zu erwarten, hatte sie mit den Russen leichtes Spiel, wohnten ihnen erstens noch ein gewisser Amateurcharakter inne, waren sie zweitens um Fjodor Alenichev dezimiert, mußten
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