Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
drittens die Möglichkeit im Auge behalten, ihre entwischte Ex-Geisel Herr Schweitzer sei von der Polizei und viertens war da noch ihre verkohlte Führungskraft, die man vor einigen Wochen in einem ausgebrannten Autowrack am Monte Scherbelino gefunden hatte. Weder von den Russen selbst noch von Polizeiseite her war dieses Rätsel inzwischen gelöst worden. In Russenkreisen vermutete man hinter der Hinrichtung eigenmächtige Geschäfte des Betroffenen, die Kripo Frankfurt lag aber richtig mit ihrer Vermutung, es könnte sich um einen Racheakt rivalisierender Banden handeln, die Handschrift trage eindeutig albanische Schriftzüge, wahrscheinlich läge des Rätsels Lösung im Frankfurter Rotlichtviertel, wo sich so viele Gruppierungen und Connections tummeln, daß selbst Insider den Überblick verloren haben.
Wie dem auch sei, Bertha gab den Russen ihre Telefonnummer, bat um Rückruf und unterstrich abschließend despektierlich ihre Drohung, ohne gewährten Schutz die Schutzgeldzahlung unverzüglich einzustellen.
Da es sich bei den drei Russen im Weinfaß um subordinierte Kräfte ohne Prokura handelte, konnte eine Zusage natürlich nicht sofort gemacht werden. Brav nickten die Jungs, einer verbeugte sich sogar beim Verlassen des Weinfaßes.
Der entscheidende Anruf war keine zwei Stunden später erfolgt, offenbar hatte man sich schon zuvor mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Ja, man sei bereit und werde Bertha von nun an täglich anrufen, ob die Italiener zu Verhandlungen bereit seien, andernfalls man sie, die Italiener, gnadenlos abschlachten werde, was aber nach einschlägigem Machogehabe roch.
Mit den Italienern war es weit weniger simpel, sie ließen sich einfach nicht blicken, geradenwegs so, als hätten sie Besseres zu tun. Vielleicht Betriebsferien oder so.
Man schrieb den 30. April. Herr Schweitzer hatte gerade erfolgreich ein Powernapping absolviert, wie fortschrittliche Firmen es ihren Mitarbeitern nahelegten. Hinter diesem hochtrabenden Begriff versteckte sich nichts anderes als ein ordinäres Mittagsschläfchen, also exakt das, was Herr Schweitzer seit Jahr und Tag auch ohne Befehl von oben praktizierte. Gutbezahlte Wissenschaftler hatten nämlich herausgefunden, ein kurzer Büroschlaf fördere die Schaffenskraft und Produktivität immens. Um ihre geistige Überlegenheit dem gemeinen Volk gegenüber Ausdruck zu verleihen, verbot es sich von selbst, das Mittagsschläfchen Mittagsschläfchen zu nennen, das wäre zu profan dahergekommen und weckte nicht den Anschein von etwas ganz Neuartigem, sondern es mußte ein dynamischer Ausdruck her, ein Ausdruck, der Progressismus vermittelte. Seitdem bereichert Powernapping den deutschen Sprachgebrauch. Und gewißlich hatten diese Wissenschaftler viel Ruhm zu ernten, wie es sich für Geistesgrößen dieser Kategorie gehörte.
Herr Schweitzer jedenfalls fühlte sich gestärkt und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Da man sich in der Mafiasache seit einer Woche auf der Stelle bewegte, hatte er sich schon fast an diesen Zustand gewöhnt, seine Gedanken kreisten mehr und mehr vornehmlich um ganz banale Alltagsgeschichten.
Heute war Freitag, Laura Roth hatte endlich mal pünktlich Feierabend. Da Herr Schweitzer die letzte Woche fast ausschließlich zu Hause verbracht hatte, war ihm Lauras neuer Zeitvertreib nicht verborgen geblieben. Vipassana. Herrn Schweitzers Mitbewohnerin hatte seit jeher einen heißen Draht zu esoterischen und metaphysischen Dingen aller Art. Sie brauchte bloß einen entsprechenden Artikel in einer ihrer zahlreichen Frauenzeitschriften zu erspähen und zack, widmete sie sich mit aller Macht dieser in den schillerndsten Farbtönen gepriesenen Methode. Meist wurde versprochen, man fühle sich hernach ganz dufte und sei ein völlig neuer Mensch. Und ein völlig neuer Mensch wollte Laura schon immer sein, das konnte man auch an ihrem ständig wechselnden Outfit erkennen. Völlig neue Menschen üben nämlich auf das andere Geschlecht, in diesem Fall die Männer, eine geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Und genau dort lag die Wurzel allen Übels. Lauras Paarungsversuche endeten in schöner Regelmäßigkeit in schweren Katastrophen. Davon konnte Herr Schweitzer, der schon so einiges von Lauras Liebesleben miterlebt hatte, ein Lied singen.
Nun also Vipassana. Herr Schweitzer hatte es gestern Abend von Laura in aller Ausführlichkeit erklärt bekommen. „Das mußt du unbedingt mal ausprobieren, Simon. Vipassana gibt’s schon seit
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