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Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Titel: Tod im Ebbelwei-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Walzer hätte sein sollen, nichts anderes als ein auf einer Linie stattfindendes Hin-und-her-Geschaukel war. Seitdem stand Herr Schweitzer mit dem Tanzbeinschwingen auf Kriegsfuß. Geschickt hatte er sich während seiner Beziehungskisten mit den abenteuerlichsten Ausreden vor derartigen Auftritten drücken können. Mal zwickte die Hüfte, mal war ein Hühnerauge im Werden und ein anderes Mal hatte er eine äußerst heimtückische tropische Magendarmkolik vorgetäuscht. Aber heute war die Sachlage eine andere, hatte er doch unbedachterweise gestern am Telefon Maria gegenüber erwähnt, er fühle sich quicklebendig. Aus purem Reflex heraus durchforstete Herr Schweitzer sein medizinisches Rudimentärwissen nach brauchbaren Gebrechen, welche sich je nach Bedarf in kürzester Zeit wieder verflüchtigen konnten. Doch da war eine gähnende Leere.
    „Oh ja“, würgte er hervor. „Tolle Idee. Tanz in den Mai, hatte ich schon immer mal vor.“
    „Stimmt was mit dir nicht?“
    „Nein. Wieso? Tanzen. Logisch.“
    „Du klingst so komisch. Gut, dann hol ich dich später ab. Ich hab dich lieb.“
    „Ich dich auch“, säuselte Herr Schweitzer in die Muschel. Er probierte gar nicht erst, eine Tanzleidenschaft zu entfachen. Disco bedeutete Horror, so einfach ist das. Was ihm blieb, war die Vorbereitung. Schnurstracks ging er in die Küche eine Flasche Rotwein köpfen. In Vino veritas et Tanzgeist, brabbelte er.
    Eine Stunde später hielt er sich für das Inbild eines Mannes, für den Prototypen einer neuen Generation von Eintänzern. Die Rotweinflasche war bis zur Neige leer. Um sich auf das bevorstehende Ereignis einzustimmen, zauberte Herr Schweitzer eine gewagte Schrittfolge auf den Küchenboden. Ein neutraler Beobachter hätte Epilepsie diagnostiziert.
    Laura Roth hatte mit einem entrückten Vipassana-Lächeln ihr Zimmer verlassen. Zwei Sekunden und ein paar Zehntel später stand ihr bereits blankes Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Noch auf der Schwelle zur Küche beschleunigte sie ihre Schritte, um Herrn Schweitzer zur Hilfe zu eilen. Mit medizinischer Erstversorgung kannte sie sich aus, seit sie in jungen Jahren mal ein Praktikum beim Arbeiter-Samariterbund absolviert hatte.
    „Simon, was ist los? Setz dich um Himmels Willen erst einmal auf den Stuhl.“
    Herr Schweitzer, gedanklich schon beim argentinischen Tango, fuhr erschrocken zusammen. Wie damals beim Abschlußball schoß ihm das Blut ins Haupt, obgleich er schon lange der Meinung war, einem so in sich gefestigten Menschen wie ihm brächte nichts mehr aus der Fassung. Daran ist bestimmt der Rotwein schuld, redete er sich ein.
    „Du bist ja ganz rot.“
    „Ja? Ich setz mich lieber mal. Vielleicht fehlen mir Vitamine.“
    „Ein Mann in deinem Alter sollte nicht mehr so rumtollen“, erklärte Laura energisch. Sie war froh, daß es offenbar nichts Ernstes war.
    Herr Schweitzer sackte deprimiert in sich zusammen. Die Generalprobe war wohl doch nicht so gut verlaufen. Nachdem er das von Laura verabreichte Glas Wasser leergetrunken hatte, klingelte es.
    „Ach, das ist bestimmt Maria. Wir wollen nämlich heute …“, Herr Schweitzer stockte, „… ausgehen.“
    Und während er die Jacke über die Schulter warf und sich entfernte, schaute Laura irritiert hinterher. So hatte sie ihren Wohnungsgenossen noch nie erlebt. Egal, sagte sie sich, jetzt kann ja Maria auf ihn aufpassen.
    Um es kurz zu machen: Keine dreiviertel Stunde später unterbreitete Maria von der Heide von sich aus den Vorschlag, vielleicht doch besser ins Weinfaß zu gehen. Nach einem auf ex hinter die Binde gegossenen großen Bier hatte sich Herr Schweitzer mit ihr auf die Tanzfläche des Saals im Südbahnhof gewagt. Vergessen war die ewige Schmach seines Tanzkurses, vergessen war die Generalprobe. Bis dahin hätte sich Maria, wäre sie danach gefragt worden, als immens abgebrüht eingestuft. Nun mußte sie ihr Selbstbildnis von Grund auf revidieren. Nach genau drei Takten hafteten nämlich sämtliche Blicke sämtlicher Tänzer und Tänzerinnen, es mögen so um die vierzig gewesen sein, auf Herrn Schweitzer. Einige hatten sogar mitten in der Bewegung innegehalten, denn was ihnen geboten wurde, hatte die Welt noch nicht gesehen. Ein menschenähnlicher großer, unter Starkstrom stehender Fisch zappelte wie wild mit geschlossenen Augen auf der Stelle. Auch glaubten ein paar Leute, in Herrn Schweitzer einen Wackeldackel bei einer rasanten Fahrt über’s Kopfsteinpflaster zu erkennen. Fernando von ABBA

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