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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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von der Sommernacht verschluckt. Nur die Klänge von Curt Görans letztem Lied für diesen Abend blieben noch wie ein seltsamer und etwas fader Nachgeschmack.
    Sie war wie Gift in seinem Blut. Dabei hätte er doch ahnen müssen, wohin das führen würde. In den siebziger Jahren war die Fortpflanzung der Menschheit für niemanden mehr ein Geheimnis. Es gab sogar einen obligatorischen Abschnitt im Lehrplan, der unter der Überschrift »Zusammenleben« diese Dinge durchnahm. Ein Thema, das zu plötzlichen Krankheitsfällen unter den normalen Lehrern führte, weshalb es fast ausschließlich von zufällig einberufenen Vertretungslehrern unterrichtet wurde, aber dennoch deutlich genug Aufschluß über die Entstehung neuen Lebens gab.
    An einem frühen Augustmorgen bat sein Vater ihn um ein Gespräch unter vier Augen. Er hatte die Tür hinter sich geschlossen und ihm, als wäre er ein Gast oder Fremder, den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches im Arbeitszimmer angeboten. Ein Gespräch von Mann zu Mann. Am Gesicht seiner Mutter hatte er ablesen können, daß es nicht um gute Nachrichten ging. Und doch hatte er nicht gedacht, daß die Welt in sich zusammenfallen würde, daß er dieses Zimmer aufgewühlt und krank vor Reue verlassen würde, mit dem Versprechen, Mona nie wiederzusehen. Er hatte geglaubt, daß alle Mädchen, die keinen Widerstand leisteten, die Pille nahmen. So lief das doch. Alle wußten es. Aber sie war nur ein Kind. Vierzehn Jahre! Sie hatte ihn reingelegt.
    »Wie konntest du nur so gedankenlos sein?« Trygvesson senior war es schwergefallen, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Das ist ein Verbrechen. Sie ist minderjährig. Wie willst du jetzt in die Polizeischule kommen? Es darf keinen einzigen Fleck auf deinem Strafregister geben, das weißt du ganz genau. Was hast du dir dabei eigentlich gedacht?«
    »Vielleicht kann sie ja abtreiben.« Er haßte sich selbst für die Worte, für die Feigheit. Und er haßte sie und das System, das ihm eine Schuld zuschrieb, ihm eine Schlinge um den Hals legte, aus der er sich nicht selbst befreien konnte. Wie konnte etwas, das so schön war, im Handumdrehen ein Verbrechen werden?
    »Das wird sie nicht tun. Ihr Vater verbietet es ihr. Er will Geld sehen!«
    »Was?« Es dauerte eine Weile, ehe die Worte bei ihm angekommen waren.
    »Kapierst du? Er will es sich gut bezahlen lassen, daß sie ›Vater unbekannt‹ angeben. Und noch eine Bedingung: Du darfst sie nie, nie wieder besuchen. Es geht um deine Zukunft! Wir haben keine andere Wahl. Ich habe schon mit der Bank über einen Kredit gesprochen.«

48
    Tommy Trygvesson hatte einen Sohn. Nach Erikas Beerdigung hatte ihn dieser Gedanke vollkommen verschlungen. Der ganze Sinn des Lebens lag in dieser Tatsache. Seine Gene würden weiterleben, seine, aber nicht die von Lillemor. Er hatte Arne Folhammar im Saal für Frühgeschichte vortragen hören. Er hatte Stolz empfunden und sich danach gesehnt, sich zu erkennen zu geben. Aber da war die schreckliche Angst, mit Verachtung abgewiesen zu werden.

    Es war nicht schwer gewesen, Mona zu finden, obwohl sie geheiratet und einen neuen Nachnamen hatte. Sie hatten sich ein paarmal getroffen und in den Büschen unten am Fischereianleger miteinander geschlafen. Eilig und freudlos für sie beide. Es war einfach so gekommen, eigentlich war es unerklärlich. Schließlich liebte er Lillemor. Vielleicht war das eine Methode gewesen, Wilhelm zu treffen, ihm das zurückzugeben, was er Arne angetan hatte. Wie im Krieg, wenn man den Feind erniedrigt, indem man seine Frau nimmt. Das kleine Jungengesicht auf den vergilbten Farbfotos im Archiv hatte ihn anklagend angestarrt, direkt ins Vaterherz. Wo warst du?
    In seinem Haß hatte er Wilhelm verfolgt, bis zum Banksafe. Er hatte den Silberschmuck und die Berge von Bargeld gesehen und ihn zur Rede gestellt. Natürlich hatte Wilhelm die ganze Geschichte von Anselm gehört und wußte, wer Arnes Vater war. Er wußte alles über das Schweigegeld, das bezahlt worden war. Und sicher gab es noch mehr Geld zu holen. Sie hatten sich im Strandhäuschen verabredet, um reinen Tisch zu machen. Ein für alle Mal. Noch eine letzte Geldsumme für sein Schweigen, hatte Trygvesson gedacht. Aber Wilhelm war zu weit gegangen, als er Trygvessons Schutz verlangte, um weiterhin das gotländische Kulturerbe zu in Massen produziertem Tingeltangel umschmelzen zu können. Und was nicht passieren durfte, passierte. Ein Schlag im Zorn, und er war zu ewiger Schuld

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