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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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Bruder.«
    Sie schwiegen lange und blickten auf etwas, was nur sie selbst sehen konnten.
    »Wie erging es dir danach?« Maries Stimme war leise und zittrig.
    »Meinen Dienst habe ich quittiert. Für meinen Vater existierte ich nicht mehr, und Mutter pflegte seit dem Tag der Beerdigung täglich stundenlang das Grab von Gerd und Moni.«
    Wieder entstand eine Pause, in der Marie das Gehörte zu verarbeiten versuchte. Sie wusste, welche nachhaltigen Folgen derartige persönliche Tragödien nach sich zogen, und sie wusste, wie schwer es war, zu helfen, vor allem nach so einer langen Zeit. »Vielen Dank, dass du mir das erzählt hast.«
    Er nickte stumm.
    »Es ist eine schreckliche Geschichte.« Marie legte vorsichtig ihre Hand auf seinen Unterarm. »Aber mir scheint die Zeit gekommen, dass du dich davon lösen musst. Du bist zu wertvoll, um dich der Vergangenheit wegen aufzugeben. Es schadet dir, es schadet den Menschen, die dich mögen, und es hilft niemandem.«
    »Es geht aber nicht.«
    »Es geht nicht allein. Aber du hast Menschen, die wahrscheinlich schon lange darauf warten, dir zu helfen.« Marie machte wieder eine kurze Pause, ohne ihre Hand von seinem Arm zu nehmen. »Ich bin es nicht, Christian, ich kann es nicht sein. Jedenfalls jetzt nicht, und du solltest nicht warten.«
    Sie sah, wie seine Lippen noch etwas schmaler wurden. Nicht aus Enttäuschung, sondern aufgrund der Gewissheit, dass sie recht hatte. Noch etwas begann sie zu erkennen. Die tiefe Resignation hatte einen kleinen Riss bekommen, in dem etwas durchschimmerte, etwas wie ein Hauch von Hoffnung.
    »Darf ich dich fragen, wer davon in Trier noch weiß?«
    »Nur Paul.«
    Marie versuchte ein mildes, zitterndes Lächeln. »Und du willst doch nicht, dass es so bleibt. Ich sterbe nämlich gleich den Kältetod. Du kannst mich nur retten, wenn du mich so schnell wie möglich zu einem warmen Platz mit einem großen Becher heißer Schokolade führst.«
    Auch er versuchte ein Lächeln. »Dann muss ich das wohl tun. Vielleicht brauche ich dich später doch noch als meine Lebensretterin.«
    Unter normalen Umständen hätte Marie den großen Mann, der sich neben ihr von der Bank erhob, jetzt fest an sich gedrückt. Vielleicht hätte er es sogar geschehen lassen. Aber es waren keine normalen Umstände. Und doch stieg in ihr eine vage Zuversicht auf.
    Während sie in einem Café an der Binnenalster Maries Körpertemperatur erfolgreich regulierten, vertieften sie Buhles Jugendtragödie nicht weiter. Vielmehr sprachen sie wieder über den Fall und spekulierten über die nächsten Schritte. Sie sah, wie er sich fing und die Distanz zu ihm sich spürbar verringert hatte. Anschließend machten sie sich auf den Weg zu Marion Reens.
    Marion hatte ihr Versprechen gehalten und drei Namenslisten erstellt. Die erste wies sieben Namen von Mitschülern auf, denen Thomas Steyn und sie besonders zugesetzt hatten. Es waren nur Jungen gewesen. Die zweite, doppelt so lange Liste enthielt Mädchen- und Jungennamen. Denen hatten sie weniger böse mitgespielt, sie aber doch eindeutig zu ihren Feinden gemacht. Die letzte enthielt die restlichen Mitschüler, an deren Namen sich Marion noch erinnern konnte. Die Namen waren größtenteils nummeriert; die einzelnen Nummern fanden sich auf zwei Kopien von Klassenfotos wieder. Als Buhle nach den Originalfotos fragte, wurde Marion etwas verlegen.
    »Ich hätte das zwar nicht geglaubt, aber jetzt beim Durchschauen der Fotos musste ich mir eingestehen: Sie bedeuten mir etwas. Natürlich kannst du sie haben, aber ich hätte sie gerne wieder.«
    Die lange Rückfahrt verbrachten sie schweigsam.

19
    Trier; Donnerstag, 11. November
    Jetzt, wo er sie wiedergefunden hatte, war auch diese kleine Unsicherheit verschwunden. Zwei Tage war sie untergetaucht gewesen. Wahrscheinlich hatte sie bei ihrem Liebhaber Unterschlupf gesucht und sich vor der Öffentlichkeit versteckt. Es war eigentlich egal, sie stellte nur das i-Tüpfelchen dar, um ihn auch in diesem Bereich tödlich zu treffen.
    Er war hocherfreut über die Wirksamkeit seiner informellen Erkenntlichkeiten gegenüber der Presse. Selbst der etwas riskante Schachzug mit Jean-Claudes Frau hatte besser geklappt, als er gedacht hatte. Es war doch immer gut, über die kleinen Geheimnisse seiner Mitmenschen Bescheid zu wissen. Wie schnell sie plötzlich bereit gewesen war, mitzumachen, damit er ihrem Mann nicht das Gleiche erzählte wie ihr. Es war genial. Die Kripo brauchte nach dem Abgang ihres

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