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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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habe vorhin nicht über die Ermittlungen nachgedacht.«
    Buhle wartete ein wenig mit einer Reaktion. »Sondern über deinen Mann?«
    Beide hielten den Blick auf die Wasserfläche vor ihnen gerichtet.
    »Nein, über dich.«
    Marie war nicht klar, welche Reaktion sie erwartet hatte: einen erstaunten Blick vielleicht, Unverständnis, Ablehnung. Aber es geschah: nichts. Zumindest wenn man das Erstarren eines männlichen Körpers als ein Nichts bezeichnen konnte. Marie tat es nicht. Als Psychologin nahm sie gerade solche Zeichen wahr. Sie bohrte nach: »Interessiert es dich nicht, was ich denke?«
    Christian Buhle seufzte tief. »Und?«
    »Ich habe mich gefragt, warum du es nötig hast, den Einsiedlerkrebs zu mimen.«
    »Den Einsiedlerkrebs?« Buhle zog seine linke Augenbraue leicht nach oben. »Bin ich so wehrhaft? Habe ich Zangen?«
    »Ja, Zangen hast du auch.« Maries Blick wanderte von seinen blauen Augen zu seinen schlanken Händen hinunter und wieder hinauf. Schließlich blieb er an Buhles für sein Alter zu ausgeprägten Stirnfalten hängen. »Deine Zangen sind dein Verstand, Christian, mit ihm fängst du die Verbrecher … und wehrst die anderen Menschen ab. Aber ich habe nicht über deinen Verstand nachgedacht.«
    Ihre Stimme wurde leise. »Du hast irgendwas verdammt tief in dir versteckt. Etwas sehr Verletzliches, was du hinter einer festen Schale verbirgst und schützt. Du versteckst etwas, und gleichzeitig hält dich dieses Etwas gefangen. Mir tut es leid, wenn sich Menschen gefangen nehmen lassen, ohne sich dagegen zu wehren, und dadurch ihre Freiheit aufgeben. Ich frage mich, was es ist, was sich da irgendwann einmal zugetragen hat, was dich so geprägt hat.«
    »Warum fragst du dich das? Warum denkst du überhaupt über den Polizisten nach, der deinen Mann hinter Gitter gebracht hat?«
    »Du beschäftigst dich mit den Menschen, bevor du dein Urteil fällst. Ich glaube, du versuchst, dabei gerecht zu sein. Ich mag solche Persönlichkeiten. Außerdem hast du mir jetzt schon ein paar Gefallen getan, die dich in große Schwierigkeiten gebracht haben. Du hast dennoch beschlossen, mich mit nach Hamburg zu nehmen. Trotzdem spüre ich, wie dich eine Schutzhülle umgibt, die alles, was das Innere von Christian Buhle berühren könnte, abfängt. Ich kann das respektieren, möchte dir aber sagen, dass ich es unglaublich schade finde.«
    Marie hatte das ruhig, mit kleineren Pausen, gesagt. Ob ihre „Worte irgendeine Wirkung auf ihn hatten, konnte sie nicht erkennen. Seine Augen waren vollkommen ausdruckslos.
    Er drehte sich der Wasserfläche zu. Sein Blick fixierte eine am Alsterufer schlafende Stockente. Das Blau war aus seinen Augen gewichen, und seine Hände lagen schlaff in seinem Schoß. Marie spürte die unheimliche Ruhe, die von ihm ausging.
    Eine große Wolke war vor die Sonne gezogen und hüllte die herbstliche Hansestadt in eine empfindliche Kälte. Marie glaubte, kaum noch ein Zittern unterdrücken zu können, als Christian Buhle langsam die Augen schloss und sich leicht nach vorne beugte. Er atmete tief aus, bevor er Marie mit einer überraschenden Entschlossenheit in die Augen blickte und unvermittelt zu erzählen begann:
    »Ich hatte nach dem Abitur gerade meinen Zivildienst als Rettungssanitäter angefangen. Mein Vater war total sauer, als ich ihm erzählte, dass ich nicht zur Bundeswehr wollte. Ich war der Erste in der Familie, der den Militärdienst verweigert hat, und er hatte immerhin zwölf Jahre in der Bundeswehr gedient, bevor es ihn aus gesundheitlichen Gründen in die Verwaltung verschlug. Aber ich war zu dem Zeitpunkt nicht nur überzeugter Kriegsdienstgegner, ich hatte auch das klare Ziel vor Augen, Arzt zu werden. Also setzte ich mich gegen meinen Vater durch. Dafür setzte er mich auf seiner persönlichen Beliebtheitsskala auf den letzten Platz.«
    Er atmete kurz und bitter durch die Nase aus. »Ich hatte bis dahin nicht gedacht, dass ich jemals von meiner Mutter die Ehre der Roten Laterne übernehmen würde. Somit waren dann erst mal die Fronten geklärt: mein älterer Bruder Gerd und der FC Köln an der Spitze, die Arbeit als breites Mittelfeld und Mutter und ich in Abstiegsgefahr. So sah mein Vater unsere Familie. Aber mir war das zunächst einmal ziemlich egal. Nach dem Zivildienst wollte ich sowieso weg.«
    Für einen Moment hielt er inne. Sein Blick wanderte nach unten, verharrte dort kurz und richtete sich schließlich mit neuer Energie, aber noch eine Spur melancholischer wieder auf

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