Tod im Moseltal
Absender war. Die Artikel des Trierischen Volksfreunds waren hingegen lediglich ein Spiegelbild der Ereignisse der letzten Wochen. Doch über seinen Anwalt hatte er erfahren, dass andere Zeitungen anders berichtet hatten.
Er setzte sich im Arbeitszimmer an den alten PC und ging ins Internet. Es dauerte zwar ewig, bis er alle Artikel von MoZ und LëtzTalk samt Kommentaren in diversen Foren gelesen hatte, aber er fühlte sich danach erstaunlicherweise besser. Da hatte jemand tatsächlich versucht, ihn systematisch fertigzumachen. Und dieser Jemand hatte einen Namen.
Es war drei Uhr in der Nacht, als er sich eine Daunenjacke überzog, um einen unbeobachteten Spaziergang durch sein Avelsbach zu machen. Durch den kleinen Weiler, in dem er fast sein gesamtes Leben verbracht hatte. Vielleicht hatte er wenigstens im Schutz von Dunkelheit und Kälte noch die Gelegenheit dazu.
Er hatte sich getäuscht. Am Ende des Zufahrtsweges zu seinem Haus stand am Rand der Baltzstraße ein Auto mit zwei Männern. Der eine schlief, den anderen erkannte er durch das Dämmerlicht der Straßenlaterne als Nikolas Steffen, einen der Kriminalbeamten, die gegen ihn ermittelt hatten. Er ging zum Auto. Kurz bevor er es erreicht hatte, glitt die Scheibe herunter.
»So spät noch unterwegs, Herr Steyn?« Steffen versuchte sich in einem betont freundlichen Tonfall.
»Etwas dagegen, Herr Kommissar?«
Der halb auf dem Beifahrersitz liegende junge Schutzpolizist wachte auf und sah irritiert von seinem Kollegen zu Steyn und zurück.
»Nein, Herr Steyn, natürlich nicht.«
»Warum sind Sie hier? Bin ich immer noch verdächtig?«
»Nein, wie Ihnen meine Kollegen aber schon gesagt haben, sind Sie momentan nicht ganz sicher.«
»Sie sind zu meinem Schutz hier, als Freund und Helfer?« In Thomas’ Stimme vereinten sich Überraschung und Ungläubigkeit zu Sarkasmus, den er durch sein leichtes Kopfschütteln noch unterstützte. »Das meinen Sie sogar ernst, oder? Was machen Sie jetzt, wenn ich spazieren gehe? Folgen Sie mir dann?«
»Ja, das werde ich tun. Wir müssen damit rechnen, dass der Täter versucht, Sie zu töten, nachdem sein eigentlicher Plan gescheitert ist. Und das werden wir verhindern.«
»Sie meinen, Mazzomaid wird versuchen, mich zu töten?« Thomas sah nachdenklich auf Steffen hinab, der zur Antwort die Schultern zuckte und abwägend den Mund verzog. »Na, dann folgen Sie mir mal, Herr Kommissar. Und genießen Sie dabei die Ruhe hier oben. Die Ruhe, die nicht nur Stille bedeutet, sondern die auch von der Gelassenheit der Häuser ausgeht, von der Geschichte der Siedlung und deren Bewohnern. Das finden Sie unten in der Stadt nirgends.«
Thomas drehte sich um und ging seine Runde durch den kleinen Weiler und über die umliegenden Feldwege. Seine Gedanken hatten eine Richtung bekommen; er wusste wieder, wohin er sich zu bewegen hatte.
26
Luxemburg – Trier; Dienstag, 16. November
Er hatte sich verschwinden lassen, auch wenn es vielleicht nicht von Dauer war. Wenn er Glück hatte, sorgte es bei den Ermittlern für Verunsicherung, verschaffte ihm etwas Zeit, die er dringend benötigte. Im Tarnen hatte er mittlerweile so viel Routine, wie er brauchte, um für die Allgemeinheit unerkannt zu bleiben. Dass es für die Polizisten reichen würde, glaubte er nicht. Er musste sich also beeilen. Musste rasch handeln, sonst würde ihm die letzte Chance noch entgehen. Sonst würden sie ihn vorher kriegen.
Dass sie ihm auf der Spur waren, erschien ihm nicht mehr als Bedrohung. Vielmehr verspürte er Befriedigung darüber, dass er die Situation richtig eingeschätzt hatte. Den Stand der Ermittlungen erkundete er im Internet. Sie hatten das Schwein schon rausgelassen. So schnell. Aber eigentlich war es gut so. Vielleicht sogar das einzig Richtige.
*
Sven Tard sollte in der ZKI die Stellung halten, während Nikolas Steffen sich bis zum Mittag ins Bett verabschiedet hatte. Michael Reuter und Nicole Huth-Balzer übernahmen tagsüber die Beobachtung von Thomas Steyn. Gerhardts und Buhle fuhren mit einigen Beweisen über die Rollen von Isabelle Girardot und Dennis Mazzomaid im Mordfall in Avelsbach zur Section de Recherche nach Luxemburg. Auch die Kollegen in Luxemburg hatten weitere Indizien und Beweise gefunden, die in der Summe das Bild zumindest der ersten Tat nach und nach vervollständigten.
Den Nachweis für den Aufenthalt von Girardot am Tatort in Avelsbach brachte ein Abgleich ihrer bereits seit Montagnachmittag in Luxemburg vorliegenden
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