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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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haben keine Ahnung, wie tief man sinken kann, wenn man mit dem Bösen einen Pakt geschlossen hat, keine Ahnung, wie kreativ man plötzlich ist, wie listig, wie raffiniert, wie skrupellos. Es gibt nichts mehr, was Sie nicht denken, nicht tun. Nichts, was unmöglich ist.« Er machte eine kleine Pause, bevor er langsam und beherrscht weitersprach: »Sie werden nicht alle Personen schützen können, die mir etwas bedeuten oder von denen er denkt, dass er mich über sie kriegen kann. Vergessen Sie es.«
    *
    Die Verantwortlichen der Polizeidirektion Trier und der Police Grand-Ducale hatten sich zu einer gemeinsamen Pressekonferenz entschieden. Sie hofften, dass damit auch die grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit endlich ihre gebührende Bedeutung in der Öffentlichkeit und vor allem in der Politik erlangen würde. Deshalb hatten sie ins Zentrum der Polizei- und Zollzusammenarbeit in Luxemburg eingeladen.
    Das Medieninteresse an diesem grenzüberschreitenden Fall war riesig. Mit großer Genugtuung registrierte der Trierer Polizeipräsident, dass Luc Toudoux von LetzTalk und Robert Flieger von der MoZ mit jedem Satz, der vom Podium aus gesprochen wurde, verdrießlicher aussahen. Zum Schluss suchten sie nur noch Deckung in der Menge ihrer Kollegen, die diese aber nicht gewähren wollte.
    Nach einer Stunde war die Veranstaltung erfolgreich beendet. Geschickt hatte Hubert Monz die lange U-Haft von Thomas Steyn rechtfertigen und dafür den neuen Verdächtigen präsentieren können. Der luxemburgische Kollege betonte die hervorragende Arbeit auf internationaler Ebene, die zu diesem unerwartet raschen Ermittlungserfolg führen konnte.
    Die Medienvertreter lauschten zurückhaltend, pflichtbewusst und zeigten sich zur Kooperation bereit. Gegenüber den Mazzo-maid auf den Leim gegangenen Zeitungen hielten sie demonstrativ Distanz, doch Schadenfreude kam nicht auf. Jeder Journalist wusste, wie groß die Gefahr eigener Fehleinschätzungen im Streben nach der größten Schlagzeile und der brisantesten Story war.
    *
    Es war einer jener typischen Trierer Novembertage, an denen sich der Himmel wie ein grauer Deckel über das Moseltal legte und auf die Stimmung der Menschen drückte. Für Thomas Steyn war es früher immer wie eine Befreiung gewesen, das Avelertal bis auf die Hochfläche hinaufzufahren und sich so dem städtischen Einheitsgrau entziehen zu können. Doch obwohl er heute tatsächlich befreit worden war, konnte er dieses Gefühl nicht empfinden.
    Nach dem Verhör hatte er sein beschlagnahmtes Auto abgeholt. Auch wenn er nicht wirklich etwas wahrnehmen konnte, meinte er, die kriminaltechnischen Untersuchungen in seinem Audi regelrecht riechen zu können. Er schloss kurz die Augen, als er eine junge Mutter mit Kinderwagen einen Zebrastreifen überqueren ließ. Es war eigentlich nicht mehr sein Auto. Sie hatten mit den ganzen falschen Spuren auch seine persönliche Bindung zu diesem Fahrzeug entfernt. Es zog ihm den Magen zusammen, als er sich fragte, ob es ihm gleich in seinem Haus in Avelsbach genauso gehen würde.
    Das ungeduldige Hupen eines hinter ihm wartenden Autos ließ ihn zusammenfahren. Mit viel zu viel Gas fuhr er an, ohne dass er den missbilligenden Blick der Frau mit dem Kinderwagen wahrnahm.
    Er schlich die schmale Straße an der ehrwürdigen Weinbaudomäne entlang. Die Stattlichkeit dieses viergeschossigen Gebäudes hatte ihn schon zu Jugendzeiten fasziniert. Wie eine kleine Burg ragte es aus dem Talboden am Fuß der Weinberge.
    Die Fahrt über die Serpentinen der Baltzstraße hinauf zur Siedlung Avelsbach ließ in ihm eine tiefe Beklemmung aufsteigen. Als ob sich jede der Straßenschleifen um seinen Körper legte und sich immer weiter zuzöge. Nie hatte er das Wort »Bedrückung« in seiner Bedeutung so körperlich nachvollziehen können wie in diesem Moment.
    Früher schienen ihn die ersten Doppelhäuser der ehemaligen Arbeitersiedlung der Domäne immer freundlich zu empfangen, wenn er sie rechts und links auf der Baltzstraße passierte. Nun wandten sie sich regelrecht von ihm ab, wie von einem Verstoßenen, der es wagte, nach Jahren wieder zurückzukehren, obwohl ihn keiner gerufen hatte. Nur der hinter einem mit grüngrauer Patina überzogenen Lattenzaun versteckte aufgegebene Bauerngarten des kauzigen Biologen schien ihm solidarisch zuzuwinken.
    Das Herbstlaub hatte in den vergangenen zwei Wochen den Zufahrtsweg nahezu vollständig bedeckt. Thomas fand, dass es so viel schöner aussah als die kahle

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