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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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Einzelbetten fast vollständig ausfüllte.
    Trotz der großen Erschöpfung und der halben Flasche Rotwein, die sie sich abends im Gespräch mit ihren Schwiegereltern genehmigt hatte, konnte sie nicht einschlafen. Zu vieles ging ihr durch den Kopf: die Angst um ihre Kinder, die Bedrohung ihres Mannes, die schwierige Zukunft ihrer Ehe. Plötzlich musste sie an einen ihrer kleinen Patienten denken, dessen Eltern direkt nach Bekanntwerden des Mordes in Avelsbach die Therapie abgebrochen hatten. Sie hatte erst kurz zuvor überhaupt so etwas wie ein Vertrauensverhältnis zu dem Jungen aufbauen können und gehofft, ihm endlich helfen zu können. Das war nun vorbei. Ihr wurde bewusst, wie viele indirekte Opfer eine solche Tat nach sich zog, von denen keiner redete, manchmal noch nicht mal jemand etwas ahnte. Es war gegen Mitternacht, als sie in einen unruhigen Schlaf fiel.

27
    Trier; Mittwoch, 17. November
    Als Marie aus dem Schlaf fuhr, war es im Zimmer völlig dunkel und still. Sie hatte geträumt: Sie stand auf einem Schlachtfeld inmitten verbrannter Erde und verkohlter Büsche. Die Schlacht war im vollen Gange, und um sie herum schlugen Granaten ein, züngelten Flammen und starben Soldaten.
    Auf einer freien runden Fläche stand ein Holzstuhl. In der düsteren Tristesse der Umgebung war er mit seinem hellen Holz ein Farbtupfer. Sie selbst stand am Rand der Freifläche und blickte auf diesen leeren Stuhl. Wie aus dem Nichts wurde der zerfetzte Körper eines von einer Bombe getroffenen Soldaten neben den Stuhl geschleudert und warf ihn um. Daraufhin tauchten aus dem Kampfgeschehen Kommissar Buhle und zwei seiner Mitarbeiter auf. Während die beiden Männer den Toten beiseiteschafften, hob Buhle den Stuhl auf, stellte ihn sorgfältig an dieselbe Stelle zurück und wischte mit dem Ärmel Dreck von der Rückenlehne ab. Als er fertig war, sah er zu ihr und gab ihr mit einem beruhigenden Zeichen zu verstehen, dass alles in Ordnung sei.
    Es verging einige Zeit. Christian Buhle und seine Männer kamen zurück. Diesmal ging Thomas zwischen ihnen. Sie führten ihn zu dem Stuhl, bedeuteten ihm, sich zu setzen, und fesselten seine Arme hinter die Rückenlehne. Christian Buhle ging einmal um den Stuhl herum und kontrollierte die Stricke. Bevor er ging, zwinkerte er ihr vertraulich zu. Als sie wieder allein waren, das erste Mal seit einer Ewigkeit, sah Thomas sie an. Sein Blick war traurig und bestimmt. Nach wenigen Sekunden drehte er den Kopf weg und blickte geradeaus, als ob er etwas von vorne erwarten würde.
    Auch Marie schaute in diese Richtung und erschrak, als sie einen gehetzt wirkenden verwundeten Soldaten sah. Sein Blick war auf Thomas gerichtet, und Marie hatte noch nie solch einen Hass in den Augen eines Menschen gesehen. Der Soldat stolperte auf Thomas zu. Als er nah genug war, erkannte sie Dennis Mazzomaid hinter dem dreck- und blutverschmierten Gesicht.
    Diese Erkenntnis ließ in ihr eine nie gekannte Wut und Angst explodieren. Sie suchte verzweifelt nach irgendwelchen Waffen in ihrem Umfeld, fand aber nur einzelne Steine, die sie verzweifelt auf Mazzomaid warf und die ohne jegliche Wirkung an ihm abprallten.
    Thomas und Mazzomaid sahen sich lange an, ohne dass sie irgendwie eingreifen konnte. Dann sah sie, wie Thomas leicht nickte. Mazzomaid griff in eine löchrige olivgrüne Umhängetasche und holte ein halbes Dutzend Wurfmesser heraus. In diesem Moment trat wieder Christian Buhle, diesmal allein, in die Szenerie ein. Doch statt sich Mazzomaids zu bemächtigen, stellte er sich nur am gegenüberliegenden Rand auf, blickte zufrieden auf den gefesselten Thomas und den bewaffneten Mörder und sah dann mit zur Ruhe mahnender Mimik zu ihr herüber.
    Marie wachte auf, als das erste Messer Thomas in die linke Schulter traf. Sie war schweißgebadet. Ihre Haare klebten an Stirn und Hals, ihr Mund war völlig ausgetrocknet.
    Nachdem sie sich ein wenig gefangen hatte, krabbelte sie vorsichtig aus dem Bett und glitt an Mattis vorbei aus dem Zimmer in den kalten Flur. Ihr feuchtes T-Shirt wurde auf ihrem Rücken klamm, und die Bodenfliesen gaben ihre gespeicherte Kälte an ihre nackten Füße ab. Rasch lief sie die Treppe hinunter, zog sich ihre Winterjacke und ein Paar gefilzte Gästepantoffeln ihrer Schwiegereltern an. Dann ging sie in die Küche und trank ein Glas Orangensaft in einem Zug. Sie goss sich ein weiteres Glas ein und ging damit ins Wohnzimmer.
    Als sie sich mitsamt der Jacke unter eine braune Wolldecke verkrochen

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