Tod im Moseltal
So ähnlich hatte er das ausgedrückt. Die gemeinsame Vergangenheit von Mazzomaid und seinem Sohn kannte er nicht. Auf jeden Fall hatte er sich entsprechend vorbereitet und Mazzomaid tatsächlich einen Köder ausgelegt. Bei einer der vorentscheidenden Verhandlungen habe er Mazzomaid dann klassisch ausgekontert. Vielleicht war das ein Schlüsselereignis für Mazzomaid, vielleicht wollte er nicht noch einmal einem von Steyn unterlegen sein.«
»Wir müssen an seinem Arbeitsplatz nachfragen, wie er sich nach diesem Termin verhalten hat, ob er irgendwie verändert war.« Buhle sagte das mehr zu sich selbst.
»Ich habe es an Henri Ducard bereits weitergegeben. Er will sich mit seinen Leuten umgehend drum kümmern.« Wieder suchte Gerhardts in seinen Unterlagen. »Hier ist noch das Protokoll des Verhörs mit Madame Mauricette Giesener. Nicole hat es uns wieder übersetzt. Madame hat offenbar eine Vorliebe für junge Männer. Darüber weiß ihr Mann natürlich nichts, dafür aber Mazzomaid, der auch in ihr Beuteschema fiel und entsprechende Vorkenntnisse hatte. Sein Schweigen hat sie sich damit erkauft, dass sie Christian erfolgreich denunzierte. Also, du bist wieder rehabilitiert, mein Guter.«
»Und ich dachte schon, unser Chef hätte endlich mal Spaß an Frauen gefunden.«
Es war lediglich ein schiefes Lächeln, das Nikolas Steffen mit seinem Spruch bei den Kollegen bewirkte. Für einen Lacher reichte die Energie an diesem Tag nicht mehr.
*
Nachdem Thomas sich im Tarforster Einkaufszentrum notdürftig mit Lebensmitteln eingedeckt hatte, fuhr er zurück nach Avelsbach. Er machte sich ein asiatisches Pfannengericht warm, trank ein Glas Riesling vom Staatsweingut der Domäne, den er zuvor während einer Viertelstunde in der Tiefkühltruhe annähernd auf Trinktemperatur gebracht hatte, und schaute sich nebenbei die Unterlagen des gescheiterten Projekts eines Handwerkerparks im Ortsteil Feyen an.
Er hatte das Konversionsprojekt zur Ausweisung von Gewerbeflächen für mittelständische Betriebe auf einem ehemaligen Übungsgelände des französischen Militärs seinerzeit stark befürwortet. Ihm schwebte nicht nur ein innovatives Energiekonzept für den Handwerkerpark insgesamt vor. Er wollte auch in den neu anzusiedelnden Firmen effektivere innerbetriebliche Versorgungsstrukturen entwickeln und so den Handwerkerpark energetisch autark machen. Für ihn bedeutete das einen eindeutigen Standortvorteil für die Zukunft. Doch zum Schluss gehörte die S.I.T.T. von Franz-Josef Seckerath zu den letzten potenten Interessenten. Die meisten anderen Betriebe hatten ihre vielleicht nie richtig ernst gemeinten Ansiedlungsabsichten nach und nach zurückgezogen.
Das Ende des Handwerkerparks war für ihn eine herbe berufliche Niederlage gewesen, weil er sich persönlich stark engagiert hatte und ihm die erhoffte Reputation entgangen war. Aber das war Vergangenheit. Thomas wunderte sich allerdings, warum Dennis Mazzomaid so gut über diese Angelegenheit Bescheid wusste. Nun studierte er im Internet die Luftbilder und Fotos von dem Areal. Der von Mazzomaid benannte Bereich lag außerhalb der ehemals geplanten Gewerbeflächen und war ihm weniger gut bekannt. Nach einiger Zeit meinte er sich auch dort gut orientieren zu können.
Gegen halb zehn nahm er sich eine Flasche guten spanischen Rotwein und ging ohne Jacke an dem genervt dreinschauenden Nikolas Steffen vorbei zum Haus von Stefan Thieles. Er klingelte zweimal. Beim dritten Versuch drückte er den abgegriffenen Klingelknopf deutlich länger, sodass er das scheppernde Hämmern des Klöppels an der ein halbes Jahrhundert alten Glocke bis vor die Tür hörte. Zufrieden nahm er im Anschluss daran die eiligen Schritte auf dem Boden der Diele wahr.
»Mensch, Tom, was machst du denn hier, um die Uhrzeit?«
»Hallo, Stefan, ich wollte mal wieder einen freundlichen Menschen sehen. Schau, ich hab einen Gran Reserva mitgebracht, einen richtig guten.« Thomas hielt ihm die Flasche Wein hin. »Und, hast du noch ein Glas für uns frei?«
Die Unschlüssigkeit stand Stefan Thieles ins Gesicht geschrieben. Er fuhr sich zweimal mit der Zunge um die Lippen, bevor er sich einen kleinen Ruck gab. »Okay, komm rein, aber sei leise. Oma schläft.«
Sie gingen durch den Flur über die abgenutzten Bodenfliesen aus dem Jahr 1909. Thomas registrierte die wenigen Veränderungen seit seiner Kindheit, die sich in einer neuen Lampe, dem Fehlen des Wandtelefons und einem Sprung in der Glasscheibe eines
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