Tod im Moseltal
Wenn die Aussagen der Jugendlichen stimmen, haben sie ohne Zutun Mazzomaids den jungen Steyn bedrängt, als der wegen eines Unterrichtsausfalls vor der Schule stand. Sein Ranzen war offenbar minutenlang unbeobachtet, und Mazzomaid konnte sich das Handy greifen. Welche Absicht er tatsächlich mit der Beobachtung von Mattis Steyn verfolgt hat, darüber können wir nur spekulieren. Fakt ist, dass er sofort den Kontakt zu Thomas Steyn gesucht hat. Worüber die beiden geredet haben, darüber schweigt sich Steyn aus.«
»Das lässt Böses ahnen.« Buhle richtete sich etwas auf. »Wir haben damit gerechnet, dass Mazzomaid Kontakt zu Steyn aufnehmen würde. Deshalb haben wir die Beobachtung und das Abhören seiner Telefone bei der Staatsanwältin durchgesetzt, allerdings dabei Frau Steyns Handy nicht mitberücksichtigt. Vielleicht war das also alles umsonst.«
»Steyn war völlig weggetreten, nachdem er mit Mazzomaid telefoniert hatte. Was, verflucht noch mal, haben die beredet?«
Buhle und Gerhardts beantworteten die Frage von Reuter mit einem Kopfnicken.
»Mazzomaid will Steyn, und der will seine Familie schützen. Das bedeutet: Wir dürfen Thomas Steyn ab jetzt keine Minute mehr aus den Augen lassen. Notfalls müssen wir ihn auch von Dingen abhalten, wie zum Beispiel seinen nächtlichen Spaziergängen. Klar, Niko?«
»Ja, klar. Aber ich war ja auch bei dieser Scheißkälte an ihm dran.« Zur Bestätigung zog er lautstark seinen Naseninhalt nach oben.
»Trotzdem. Er kennt sich da oben viel besser aus als du, und es ist unübersichtlich. Auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle, das an Avelsbach grenzt, hätte er Möglichkeiten, abzuhauen, bevor du das Militär da oben wachgerüttelt hast. Also, am besten begleitest du ihn gleich wieder ins Bett, wenn er noch einmal nachts auftaucht.«
Steffen quittierte den letzten Satz mit aufgesetzter süß-saurer Miene.
»Übrigens«, warf Reuter ein, »Steyn ist, nachdem er uns wieder verlassen hatte, schnurstracks mit dem Bus zu seiner Arbeitsstelle gefahren. Er hat mit Seckerath senior ein längeres Gespräch geführt. Wir konnten durch die Glastür nur sehen, wie Seckeraths Miene immer besorgter wurde und er sich zum Schluss mit langem Handschlag von ihm verabschiedet hat. Uns wollte er partout nicht erzählen, worum es bei dem Gespräch ging. Anschließend hat er sich in einem leeren Büro über den Computer eines Mitarbeiters in den Server der Firma eingeloggt und sein Verzeichnis komplett auf einen USB-Stick gezogen. Ich hab ihm dabei über die Schultern geschaut, was ihn nicht im Geringsten störte. Zum Schluss hat er sich nach einer kurzen, intensiv geführten Diskussion mit einem Ingenieur noch ein Notebook aushändigen lassen, und wir haben ihn zu seinem Auto gefahren.«
»Ihr habt Taxi gespielt?« Steffen war so verblüfft wie alle anderen.
»Tja, er hat sauber argumentiert. Die Alternative wäre die Fahrt mit dem Bus und der Fußweg über das Unigelände gewesen. Er meinte, da wäre es doch einfacher, wir würden ihn direkt fahren und, wenn es uns helfen würde, unterwegs auch befragen. Er hat natürlich nicht gesagt, was er mit den Dateien wollte, die er gerade zuvor aus dem Betrieb geholt hatte.« Mit ironischem Unterton fügte Reuter hinzu: »Und bedankt hat er sich auch nicht bei uns.«
»Wo ist er danach hin?« Gerhardts suchte nebenbei nach einem Blatt Papier in einem Stapel von Unterlagen.
»Nach Hause. Da war er auch noch, als wir vorhin abgelöst wurden.«
»Sieht so aus, als ob er irgendwie aktiv werden will. Wir müssen unbedingt seine Internetaktivitäten überwachen. Ist das in die Wege geleitet?« Gerhardts schaute fragend zu Tard.
»Jo, kann aber etwas dauern, bis es funktioniert. Seine IP-Adresse haben wir, ob er aber jetzt einen mobilen Internetzugang der Firma nutzt, wissen wir nicht. Die Möglichkeit hat er jedenfalls, und bislang konnte uns in der Firma keiner vernünftige Auskünfte geben. Die Kollegen sind aber dran.« Der junge Polizist schien offensichtlich unzufrieden mit dem Stand seiner Bemühungen.
»Niko, ihr bleibt heute Nacht hellwach.« Als Gerhardts seine Aufzeichnungen endlich gefunden hatte, fuhr er fort: »Ich war noch bei Philipp von Steyn, um ihn zu seinen Verhandlungen mit Mazzomaid im Rahmen des EIB-Kredits zu befragen. Von Steyn bestätigte, er habe von Anfang an geahnt, dass Mazzomaid seine Kreditanfrage behindern wolle. Ohne besonderen Grund, lediglich dem Instinkt eines erfahrenen Geschäftsmannes folgend.
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