Tod im Moseltal
der Franzosen im Mattheiser Wald. Er war gleich am Ziel.
*
Als Stefan Thieles seine Schlüssel vom Schlüsselbrett greifen wollte, um zur Frühschicht zu fahren, fing er an zu fluchen. Er war ohnehin spät dran und hatte keine Lust, jetzt auch noch den Schlüsselbund suchen zu müssen. Er überlegte. Vielleicht hatte er ihn gestern im Zündschloss stecken gelassen.
Er öffnete die Tür, die zum Schuppen führte, machte das Licht an und traute seinen Augen nicht: Seine Honda war weg. Mit wüsten Verwünschungen lief er zur Schuppentür. Sie war verschlossen.
Er hastete zurück in die Diele, riss die Haustür auf und stapfte wütend zu den beiden Polizisten, die sich gerade auf ihre Ablösung vorbereiteten. Mit einem Ruck öffnete er die Beifahrertür.
»Verdammt noch mal, ihr hockt hier die ganze Zeit in eurer Kiste und starrt zum Haus vom Steyn und merkt dabei nicht mal, wie mein Motorrad geklaut wird!«
»Moment …« Der eine Polizist versuchte offenbar zu verstehen, wovon Stefan sprach. Viel Zeit brauchte er dazu nicht. »Scheiße, das war Steyn. Mensch, Scheiße, Scheiße, Scheiße! Der vorhin mit dem Motorrad war Steyn.« Er fasste sich an den Kopf. »Mann, wie kommt der denn da überhaupt dran?« Er warf Stefan einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Thomas ist mit meinem Motorrad weg?«
»Wer sonst? Ich Idiot, Scheiße.« Der Polizist schlug dreimal heftig aufs Lenkrad. »Ich fass es nicht. Der hat uns voll verarscht.«
Wütend rief Steffen zuerst in der Zentrale des ZKI an und ließ umgehend nach dem Motorrad fahnden, dann wählte er nacheinander die Nummern von Gerhardts und Buhle und beichtete sein Versagen.
Anschließend schickte er den Kollegen los, um den immer lauter schimpfenden Thieles zu dessen Arbeitsstelle zu bringen. Damit hatte er beide aus den Füßen. Als er im Regen zur Rückseite des Hauses ging, erhielt er einen Anruf des Schutzpolizisten, der mit ihm Wache geschoben hatte.
»Mensch, Niko, da ist jemand am Haus von den Steyns. Die Monitore zeigen einen, der ums Haus herumschleicht.«
Steffen starrte entgeistert auf sein Handy. Ohne ein Wort beendete er die Verbindung.
Am Anbau unter der Terrasse entdeckte er das offene Fenster. Er stieg ein und vergewisserte sich, dass das Haus leer war. Steyns Bett war nicht gemacht, der Teller mit den Resten eines Fertiggerichtes stand neben der Verpackung auf der Spüle, ein Notebook lag im Stand-by-Modus auf dem Esstisch.
Es war fünf Minuten vor sechs Uhr, als Buhle und Gerhardts kurz hintereinander in Avelsbach eintrafen. Steffen berichtete zerknirscht, wie es seiner Meinung nach vor seinen Augen zu der erfolgreichen Flucht von Thomas Steyn hatte kommen können. Dann teilte er die ersten Erkenntnisse aus der Hausdurchsuchung mit, und zum Schluss führte er die beiden Kollegen zu Steyns Brief an seine Frau.
Das Schreiben war das letzte Textdokument, das auf dem Notebook geschrieben worden war. Es enthielt eine Entschuldigung Steyns für sein Fehlverhalten, ein Bekenntnis zu den Kindern und seiner Frau und drückte die Hoffnung aus, der Spuk möge so nun ein Ende nehmen.
Dieses Ende hatte er offenbar in zwei Varianten vorausgeplant. Die eine machte ihn zum tatsächlichen Mörder oder zumindest zu einem, der einen Menschen töten würde – die andere zum dritten Opfer. Er hoffte, dass in diesem Fall Mazzomaids Rachegelüste endgültig befriedigt wären und keine Gefahr mehr für Marie und die Kinder darstellten.
Was die besondere Aufmerksamkeit der Kommissare weckte, war ein fast nebenbei eingebauter Satz, der einen Hinweis auf Steyns Aufenthaltsort enthielt: »Für den Fall, dass ich nicht zurückkehren sollte, suche mich am Ort meiner letzten Niederlage.«
Sie kamen schnell überein, dass sie mit diesem Hinweis allein nichts anfangen konnten. Auch die vorher von Steyn geöffneten Dateien und Internetseiten ließen, soweit Steffen sie nachvollziehen konnte, keine Rückschlüsse zu. Um sechs Uhr fünfzehn griff Buhle zu seinem Handy.
*
»Marie, Marie, Mädchen, wach auf.«
Marie öffnete erschrocken die Augen und blickte verständnislos zu ihrem Schwiegervater hinauf.
»Marie, es ist Kommissar Buhle, er will dich unbedingt sprechen. Mir will er nicht sagen, worum es geht.«
Immer noch etwas verstört nahm Marie ihr Handy entgegen, das Philipp von Steyn ihr hinhielt.
»Ja?«
»Marie, kannst du sofort nach Avelsbach kommen?«
Sie setzte sich auf, mit einem Mal hellwach. »Was ist passiert? Ist etwas mit Thomas?«
»Er ist weg. Wir
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