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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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frei hatte er sich in der geschlossenen Gesellschaft des Internats gefühlt. Seine Ahnung von gewissen Begebenheiten hinter den Kulissen und seine Allianz mit Marion hatten ihm eine nahezu vollkommene Autonomie verschafft. Nach dieser inneren Befreiung war er ruhiger geworden, hatte sein Leben gut in den Griff bekommen, wie er fand. Doch nun war er wieder seiner Freiheit beraubt, und er wusste nicht, wie es dazu hatte kommen können.
    Als sie ihn für eine Vernehmung aus der Zelle geholt hatten, hatte er nicht geahnt, dass Marie auch dabei sein würde. Als er ihr jetzt gegenübersaß, schmerzte es ihn, sie so nah und doch so distanziert zu sehen. Aber dann ergriff dieser Buhle das Wort, und jede Illusion einer Annäherung löste sich in Luft auf.
    »Herr Steyn, es ist leider schon wieder eine Fotografie aufgetaucht, die Sie bei sexuellen Handlungen zeigt.« Buhle nahm die in Plastik gehüllte Aufnahme aus einer Mappe und schob sie langsam zu ihm herüber. »Bitte sehen Sie sie sich nur an und berühren Sie sie nicht.«
    Er warf nur einen kurzen Blick auf das Foto, und augenblicklich wurde ihm übel. »Nein, nein, das nicht.« Es drückte sich weit in die Rückenlehne des Plastikstuhls und sah kopfschüttelnd zu Marie. »Marie, nein, so was habe ich nie gemacht.« Es kam ihm vor, als ob sie seinen Blick voller Sorge, fast schon Angst erwiderte. »Nein, Marie, das ist nicht wahr.«
    »Sie bestreiten also, dass dieses Foto echt ist, dass sie mit diesem Kind sexuellen Verkehr hatten?«
    Mit einem Ruck schaute er Buhle an. Wie immer blickte er in Augen, die so unerbittlich nichtssagend waren. »Hören Sie, ich habe nie ein Kind angefasst. Nie. Ist das klar? Das Foto da muss gefälscht sein.«
    »Beruhigen Sie sich. Wir werden prüfen, ob es sich um eine Montage handelt. Können Sie sich vorstellen, wer Ihnen da etwas anhängen will?«
    »Ich nehme an, derjenige, der mit auch einen Mord anhängen will.«
    »Sonst haben Sie keine Idee, wer vielleicht Ihre prekäre Situation ausnutzen will, um sich für irgendwas zu rächen?«
    Thomas schloss die Augen und fühlte, wie der Schrecken langsam nachließ. Natürlich glaubte der Polizist weiterhin an seine Schuld. Nach dem, was sein Anwalt ihm berichtet hatte, sah es wirklich nicht gut für ihn aus. Wie er es auch drehen und wenden wollte, er fand keinen Ansatzpunkt für das, was hier mit ihm geschah. »Keine Ahnung. Ich habe wirklich keine Ahnung, was hier gegen mich läuft.«
    Er war ganz überrascht, als Buhle und Menzel kurz darauf den Verhörraum verließen. Auf die Situation, so plötzlich allein mit Marie zu sein, war er nicht vorbereitet. Die Gedanken wirbelten nur so durch seinen Kopf, ohne dass er die richtigen fassen konnte.
    »Den Kindern geht es den Umständen entsprechend gut.«
    Dankbar, dass Marie das Gespräch begann, nickte er. »Seid ihr schon wieder in …?«
    »Nein, die Kinder sind bei Juliette und Philipp. Sie kümmern sich wirklich gut um sie.«
    Er presste die Lippen aufeinander und nickte wieder. »Hat Mattis das mit den Flugblättern schon verwunden?«
    »Er hält sich sehr tapfer. Du kannst stolz auf ihn sein. Aber ich denke nicht, dass er so schnell darüber hinwegkommen wird. Es ist schwer für ihn, auch für Nora.«
    Thomas atmete tief durch. »Und du, wo bist du untergekommen? Bei Peter?«
    »Ja, aber ich pendele ein bisschen zwischen allen hin und her.«
    Die Pause, die folgte, war fast unerträglich. Er sah Marie an, dass sie auf etwas wartete, und er wusste auch, auf was.
    »Ich … es … ich weiß, dass es keine Entschuldigung gibt, aber … Es tut mir leid, dass ich dich betrogen habe.« Es ging ihm wirklich nicht gut, aber so schlecht wie jetzt hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit sie ihn in Avelsbach abgeführt hatten.
    »Die beiden anderen kommen bestimmt gleich wieder.« Marie machte eine kleine Pause und schien sich die weiteren Worte genau zu überlegen. »Thomas, ich glaube nicht, dass du den Mord begangen hast. Ich habe aber auch so vieles nicht für möglich gehalten, was ich … in den letzten Tagen erfahren habe, über dich erfahren habe. Ich werde versuchen, dir zu helfen, auch wenn ich nicht weiß, wie. Aber … es ist nicht so leicht für mich, das alles zu begreifen. Es scheint auch noch nicht vorbei zu sein.«
    Thomas schob seine Hände langsam über den Tisch in Richtung Marie. Als er merkte, dass sie sich nicht bewegte, verharrte er.
    »Danke, Marie. Entschuldige bitte.«

16
    Trier; Montag, 8. November
    Als Christian

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