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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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des Großherzogtums – »Judd mat Gaardebounen«, Schmorbraten mit dicken Bohnen, dazu Bratkartoffeln mit Speck –, kochte Claudille noch einen abschließenden Espresso. Die Kinder hingen in den zwei Sesseln über ihren Büchern. Marie Steyn und Christian Buhle saßen sich noch am abgeräumten Esstisch gegenüber.
    »Und, wie war die Hölle in Berdorf?« Marie Steyn zeigte bei der Frage einen Hauch ihrer Grübchen.
    Tatsächlich hatte Mattis Buhle sofort zu seinem Lieblingsplatz in der Felsenlandschaft unterhalb von Berdorf gelotst. Unweit vom Adlerhorst führte ein Seitenpfad des Müllerthal Trails zu einem schmalen, dunklen Gang. Bis zu fünfundfünfzig Meter unterhalb der Oberfläche war er Mattis und Nora durch die »Hölle« gefolgt. Ohne die Taschenlampen der beiden Kinder wäre er nie auf die Idee gekommen, durch die schmale, niedrige und teilweise stockdunkle unterirdische Felsspalte zu gehen. Später, auf der »Teufelsinsel«, einem zweiten, größeren Plateau gänzlich ohne Absicherungen, war es ihm gar nicht recht gewesen, dass Nora und Mattis über die kuppigen Felsen rannten und wie selbstverständlich über eine tiefe Spalte zu einem Nachbarfelsen sprangen.
    »Faszinierend, wirklich. Ich hätte nicht gedacht, dass es hier eine so abenteuerliche Landschaft gibt.«
    »Das Müllerthal ist sicher ein Höhepunkt. Aber die gesamte Südeifel ist wirklich schön. Sie sollten Trier und Ihre Fälle ab und zu hinter sich lassen und die Vielfalt der Region kennenlernen. Haben Sie niemanden, mit dem Sie solche Unternehmungen machen können?«
    Buhle spürte, wie ihm kurz die Gesichtszüge entglitten. Sein zögerliches Lächeln war nur noch Fassade.
    »Nein. Aber ich werde Ihren Rat befolgen und versuchen, die Eifel zu erkunden.«
    Es trat eine Stille ein, die erst durch Claudille unterbrochen wurde, die auf einem runden Messingtablett drei winzige Espressotassen an den Tisch brachte.
    Das anschließende Gespräch verlief deutlich distanzierter. Als Marie Steyn fragte, wann sie ihren Mann im Gefängnis besuchen könnte, wurde er wieder etwas zugänglicher.
    »Das ist nicht so einfach. Am Wochenende gibt es keine Besuchszeiten. Dann benötigen Sie noch eine schriftliche Erlaubnis der Staatsanwaltschaft. Sie oder am besten Ihr Anwalt sollten sich direkt am Montagmorgen darum kümmern.«
    Marie antwortete nicht, sondern nickte nur.
    Er spürte, welche Traurigkeit von ihr ausging. Ohne wirklich zu überlegen, fuhr er fort: »Vielleicht könnte ich aber eine Befragung Ihres Mannes kurzfristig beantragen. Mit dem Foto hier gäbe es einen aktuellen Anlass. Und ich wollte Ihren Mann ohnehin einmal in Ihrer Anwesenheit mit den Vorwürfen des Ehebruchs konfrontieren.«
    »Das ist doch nicht wirklich Ihr Ernst?«
    »Es wäre zumindest der schnellste Weg, wie Sie Ihren Mann sehen könnten. Durchaus möglich, dass ich zwischendurch kurz etwas zu trinken holen muss.« Er sah den skeptischen Gesichtsausdruck von Marie Steyn, bemerkte aber auch das zufriedene Schmunzeln von Claudille Laurant. Gleichzeitig fragte er sich, was ihn zu diesem Arrangement trieb.
    *
    Die Justizvollzugsanstalt in Trier spiegelte allen Autofahrern, die den Gebäudekomplex auf der stark befahrenen Luxemburger Straße passierten, das wider, was sie auch war: eine Stätte völlig abgeschirmter Existenzen inmitten des alltäglichen Lebens. Das sollte eigentlich jedem annähernd freiheitsliebenden Menschen Abschreckung genug sein. Die Belegungszahlen zeugten jedoch vom Gegenteil. Offenbar reichte eine Gesellschaft, die jedem eine ausreichende Existenzsicherung gewährleistete, nicht aus, Menschen vor kriminellen Handlungen zu bewahren. Zwischenmenschliche Konflikte und das Streben nach den Besitztümern anderer schien ein unabdingbares Charakteristikum der Spezies Mensch zu sein.
    Thomas Steyn hasste die Unfreiheit, so weit er zurückdenken konnte. Bereits sein Elternhaus war ihm wie ein Gefängnis vorgekommen. Natürlich hatte er sich frei bewegen können. Doch die geistige Enge, die zu Hause bestand, war unerträglich gewesen. Alles war beherrscht von seinem Vater, seinen Geschäften, seinen Ansprüchen, seinen Regeln. Er hatte nie verstanden, wie seine Mutter das aushalten, ja, so schien es ihm, damit sogar glücklich sein konnte.
    Aber eigentlich war es überall so. Überall gab es Lehrer, Erzieher, Trainer, Leiter, die bestimmten, was wie zu machen sei, die einen an die Hand nahmen, ohne loszulassen, einen mitnahmen, wo man nicht hinwollte. Das erste Mal

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