Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
Werdemann betrat. Er war zwar kein Rechtsmediziner, aber die mumifizierte Leiche musste schon seit Wochen, wenn nicht seit Monaten, dort liegen. Sofort kam Paul der Hitchcock-Klassiker 'Psycho' in den Sinn, in dem Norman Bates monatelang mit seiner verstorbenen Mutter zusammenlebte und sogar ihre Stimme imitierte. Während sich Paul noch fragte, ob die alte Dame eines natürlichen Todes oder durch Gewalteinwirkung gestorben war, kam die erlösende Nachricht aus dem knarzenden Funkgerät eines SEK-Beamten:
» Wir haben Frau Eicken im Keller gefunden, sie lebt.«
***
Das Zimmer in der Justizvollzugsanstalt in der ehemaligen Hindenburgkaserne im Stadtteil Kreyenbrück war kein Ort, an dem man sich wohlfühlen sollte. Es roch muffig nach einer Mischung aus abgestandener Luft und altem Schweiß. Der kärglich eingerichtete Vernehmungsraum hatte nicht mal ein Fenster. Vor dem Leiter ‚der Soko Schlosswald‘ saß ein erstaunlich gefasster Henning Werdemann. Paul wurde das Gefühl nicht los, dass Werdemann, wenn auch unbewusst, festgenommen werden wollte. Es schien fast so, als sei eine schwere Last von seinen Schultern abgefallen. Er sprach sehr viel über seine Mutter. Laut Obduktionsbericht war Elisabeth Werdemann an Herzversagen gestorben.
» Warum haben Sie keinen Arzt verständigt, als Sie merkten, dass Ihre Mutter tot war?«
» Für mich hat sie nur geschlafen. Ich konnte ihre Anwesenheit doch spüren. Ich gebe zu, sie ist ruhiger geworden in den letzten Monaten.« Paul wusste nicht, ob ihn sein Gegenüber nicht auf den Arm nehmen wollte. Werdemann musste als Chef eines mittelständischen und erfolgreichen IT-Unternehmens überdurchschnittlich intelligent sein. Kai Rentz hatte seiner Aussage nach in den letzten Monaten keine Änderungen im Verhalten seines Vizepräsidenten bemerkt.
» Herr Werdemann, Ihre Mutter hat seit mindestens acht Monaten tot dort gelegen, und es hat bestialisch gestunken. Das müssen Sie doch bemerkt haben?«
» Ich habe doch gut gelüftet, und sie hat mit mir geredet?«
» So? Was hat sie denn zu Ihnen gesagt?«
» Dass ich mich vernünftig anziehen und auch mal eine Freundin mit nach Hause bringen sollte. Eine, die unserem Stand entspricht und sich kultiviert unterhalten kann.« Sein Vater Klaus-Dieter Werdemann war vor 14 Jahren bei einem Autounfall gestorben und hatte seiner Frau und seinem einzigen Sohn als Beamter im höheren Dienst ein stattliches Erbe hinterlassen.
» War das Ihr Plan: Elena Wagner und Annika Eilers Ihrer Mutter vorzustellen?« Von einem Augenblick auf den anderen wechselte Werdemann den Gesichtsausdruck. Als über seine Mutter gesprochen wurde, sah Paul den Wahnsinn in seinen Augen. Sollte 'Psycho' neu verfilmt werden, hätte er spielend leicht die Hauptrolle ausfüllen können. Nun aber erkannte Paul eine völlig andere, eine devote und freundliche Seite an Henning Werdemann.
» Annika Eilers wollte ich doch zuerst einmal kennenlernen. Sie stieg in mein Auto, nachdem ich sie abgepasst hatte, und wir plauderten. Wir kannten uns ja schon ganz gut aus dem Chat. Sie mochte mich, und ich mochte sie. Das war etwas Besonderes zwischen uns.«
» Wo haben Sie Annika Eilers umgebracht?«
» In meiner Wohnung.«
» Sie kam freiwillig mit zu Ihnen, obwohl Sie sich an dem Abend zum ersten Mal gesehen hatten?«
» Wir waren uns sehr vertraut. Ich erzählte ihr, dass ich einen Pool in der Wohnung habe, was sie mir nicht glaubte. Dann sagte ich ihr, dass ich es ihr beweisen könnte. Ich bot ihr sogar eine Wette an, die sie annahm. Als wir dann in der Wohnung waren, zeigte ich ihr meine Badewanne. Sie hat so herrlich über diesen zugegebenermaßen billigen Witz gelacht.«
» Haben Sie die Tat alleine begangen?«
» Ja.«
» Warum haben Sie Frau Eilers umgebracht?«
» Wissen Sie, ich habe wenig Erfahrung mit Frauen und auch Hemmungen. Ich habe zwar die Sexpartys im ‚Club Leonardos‘ organisiert, mich dann aber immer schnell unter einem Vorwand zurückgezogen. Ich fühle mich unwohl, wenn starke und gut aussehende Frauen in der Nähe sind. Ich wollte Annika Eilers nicht umbringen, das müssen Sie mir glauben.«
» Warum haben Sie es dann getan?«
» Ich hatte alle meine Bedenken über Bord geworfen. Wir hatten uns ausgezogen, und als ich ihn dann nicht hochbekam, hat sie mich ausgelacht. Da habe ich dann das Seil genommen und sie erdrosselt, ich wollte doch nur, dass das höhnische Lachen aufhört.« Werdemann sah beschämt auf den Fußboden.
» War es
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