Tod im Palazzo
Mücke kann feilschen, verstehst du. Im Gegensatz zu dir. Du hast noch nie gesessen, und du willst eine saubere Weste behalten. Für dich steht alles auf dem Spiel, während er nichts zu verlieren hat. Wenn er glaubt, daß das Spiel aus ist und er für ein paar Jahre wieder in den Knast wandern muß, dann liegt es in seinem Interesse, auszupacken und Namen zu nennen, und im Gegenzug kriegt er eine mildere Strafe. Du kannst dir selbst ausrechnen, daß du in seiner Version als der Hauptschuldige dastehst. Er wird dir quasi nur in den Mantel geholfen haben.«
Sie fuhren wieder eine breite Straße entlang, diesmal auf der anderen Seite der Stadt. Leo saß schwitzend und zusammengesunken da, während der Wachtmeister gelangweilt aus dem Fenster guckte und Lorenzini sich fragte, wo Leute, die nachts nicht arbeiten, um diese Uhrzeit wohl hinfuhren. Der Verkehr schien nicht abzunehmen, und dabei war es nicht einmal Samstag nacht. Die Spannungswellen, die er in seinem Nacken spürte, waren so stark, daß er sich nicht zu fragen traute, wohin er als nächstes fahren sollte. Daher blieb er auf dem Stadtring. Bald darauf hatten sie wieder die baumgesäumte Allee erreicht und fuhren in Richtung Arno.
»In seiner Lage würde das vermutlich jeder tun«, fuhr der Wachtmeister nachdenklich fort.
Leo atmete hörbar. Der Wachtmeister riß sich zusammen. Wenn er jetzt nicht dranblieb, würden sie bis zum frühen Morgen herumfahren. Tatsächlich war es so, daß er die – wie Teresa fand: enervierende – Gewohnheit hatte, »regelmäßig in komaartigen Zustand zu fallen« und jedesmal, wenn er wieder zu sich kam, unfertige Äußerungen von sich zu geben. Wenn Teresa diese Gewohnheit enervierend fand, so konnte es durchaus sein, daß sie auf Leo einschüchternd wirkte. Sein Atem ging schwer. Wenn er sich zu sehr ängstigte, würde es ihn vielleicht zu sehr lähmen.
»Worauf ich hinauswill, ist folgendes: Wenn jemand eine saubere Weste hat, dann hat er eine Chance verdient. Dein Freund Mücke hat in seinem Leben schon ein paar üble Dinge angestellt. Ich glaube ihm seine Geschichte nicht, und die Art und Weise, wie er sie erzählt, ist mir nicht sympathisch. Ich meine, sie über Informanten zu verbreiten, sozusagen beiläufig.«
Gott sei Dank, dachte der Wachtmeister, daß nichts davon stimmte. Eine Geschichte aus Wahrem und Erfundenem zusammenzustöppeln, war sehr viel schwieriger. Meistens waren die Nahtstellen zu sehen. Aber er mußte weiterreden, sonst würde er wieder in Schweigen versinken.
»Spätestens morgen werde ich einen Haftbefehl für ihn haben. Er wird ins Hauptquartier gebracht werden. Ich möchte, daß du dort vorbeischaust – sagen wir, so gegen elf –, du weißt ja, wo es ist.«
In diesem Moment konnte er sich einen verstohlenen Blick nicht verkneifen. In Leos schmalem Auge glitzerte es.
»Gerüchte kann man ignorieren. Wenn es zu einer schriftlichen Aussage kommt… du verstehst, was ich meine. Nun, wenn du zufällig zur Stelle bist – und ich bitte dich nur, vorbeizukommen, dir wird nichts vorgeworfen, es ist kein Trick, um dich festzunehmen. Wenn ich dich verhaften wollte, ich weiß ja, wo du zu finden bist. Wenn du bei uns bist und ihm Auge in Auge gegenüberstehst, wird er einige Mühe mit seinen Lügen haben. Bieg hier ab, Lorenzini. Wir bringen den Herrn wieder in seinen Club.«
Dort angekommen, reagierte Leo nicht mehr als nur ein bißchen nervös, als die beiden Beamten ebenfalls ausstiegen und ihn bis zur Eingangstür begleiteten, wo Leos Stellvertreter sehr viel überraschter guckte als bei Leos Abfahrt.
»Noch eine angenehme Nacht dann!«
Der Wachtmeister und Lorenzini standen da, so daß Leo keine andere Wahl blieb, als die Treppe hinunterzugehen, der hämmernden Discomusik entgegen. Er sah sich nicht nach ihnen um. Nachdem er durch die Tür verschwunden war, ging der Wachtmeister ebenfalls hinunter und sprach zu den beiden Leuten an der Kasse.
»Einer von euch der Geschäftsführer?«
Ein Mann hinter dem Kassierer meldete sich.
»Ich bin der Besitzer.«
»Für wieviel Personen ist diese Bude offiziell zugelassen?«
»Ähm… hundertundfünfzig, aber…«
»Und wieviel sind im Moment drin?«
»Ach du Scheiße!«
»Und wie viele haben Mitgliedskarten?«
»Hören Sie, ich weiß, wer hinter dieser Geschichte steckt. Wir haben in diesem Jahr mindestens alle zwei Monate dicht machen müssen, und zwar nur deswegen, weil ich einem bestimmten Mann in der Stadtverwaltung keinen Briefumschlag
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