Tod im Pfarrhaus
dort den ganzen Herbst und Winter gewohnt. Zuletzt wurde er gestern Nachmittag gesehen, als er gegen halb fünf von der Arbeit nach Hause fuhr. In einer Tasche lagen feuchte Trainingsklamotten. Möglicherweise war er also noch in einem Fitnessstudio. Wir haben in seiner Brieftasche einen entsprechenden Mitgliedsausweis gefunden und werden entsprechende Erkundigungen einziehen. Die Lebensmittel hatte er bei Hemköp am Mölndalsvägen gekauft. Er unterrichtete an einer Schule irgendwo in der Gegend von Heden. Seine Eltern wohnen nicht weit vom Sommerhaus entfernt, aber wie gesagt, wir haben sie noch nicht erreicht. Der Vater ist Pfarrer in einem kleinen Ort, der Kullahult heißt. Wir überlegen noch, wie wir es den Eltern schonend beibringen, dass ihr Sohn ermordet wurde. Normalerweise nehmen wir ja einen Pfarrer mit, wenn wir eine Trauernachricht überbringen. Aber was macht man, wenn der Empfänger selbst Pfarrer ist?«
Irene unterbrach ihr Referat und sah in die Runde. Es war kurz nach fünf, und Kommissar Andersson hatte alle verfügbaren Inspektoren zusammenrufen lassen.
Jonny Blom war wie immer dem Schlummer gefährlich nahe. Immer wenn sein Kopf nach vorne fiel, konnte Irene einen Blick auf die kahle Stelle an seinem Hinterkopf erhaschen. Sie war eindeutig größer geworden. Die Haare, die er am Morgen ordentlich mit Gel zurechtgekämmt hatte, waren verrutscht.
Neben ihm saß der Benjamin des Dezernats und sah umso wacher und außerdem vollhaarig aus. Fredrik Stridh war ebenso tüchtig wie energisch, und Irene hatte ihn in letzter Zeit zunehmend zu schätzen gelernt.
Hannu Rauhala saß schweigend rechts neben Irene, aber sie wusste, dass ihm nichts entging. Seine Frau Birgitta war die zweite Inspektorin des Dezernats. Sie befand sich noch im Mutterschutz und würde erst in zwei Monaten wiederkommen. Dann würde sich Hannu beurlauben lassen, um sich um den gemeinsamen Sohn zu kümmern. Das war vor einigen Tagen im Dezernat bekannt geworden, und Kommissar Andersson hatte richtiggehend schlechte Laune bekommen. Er hatte wütend vor sich hin gebrummelt. Sätze wie »Kleinkinder brauchen die Mutter« und »Männer taugen nicht als Kindermädchen« waren zu hören gewesen.
Auch Tommy Persson fehlte, konnte aber jederzeit wieder auftauchen. Er hatte den größten Teil des Tages damit verbracht, einen des Mordes Verdächtigen zu verhören. Es handelte sich um einen gewöhnlichen Junkiemord an einem Dealer. Das Opfer hieß Ronny »Speedy« Olofsson. Speedy hatte Geld unterschlagen, von dem sein Großhändler meinte, dass es ihm gehörte. Da es sich um eine beträchtliche Summe gehandelt hatte, war die Strafe entsprechend ausgefallen. Es hatte eher einer Hinrichtung als einem Mord geähnelt.
Speedy hatte an einem frühen Sonntagmorgen einen Kopfschuss erlitten. Die einzigen Zeugen waren ein paar Ornithologen in einem Auto gewesen. Zwei dieser Vogelliebhaber hatten das Gesicht des Mörders gesehen. Demzufolge hatte er eine große Narbe gehabt, die von der Nasenwurzel bis über die rechte Wange verlief. Als die Ermittler diese Beschreibung vernommen hatten, wussten sie sofort, nach wem sie zu suchen hatten.
Asko Pihlainen, der Tatverdächtige, war bereits mehrfach wegen schwerer Körperverletzung vorbestraft und hatte sich diverser Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, der Einschüchterung von Zeugen und Autodiebstählen schuldig gemacht. Jetzt tauchte sein Name zum ersten Mal im Zusammenhang mit einem Mord auf. Asko stritt jedoch alles ab. Er habe den Tatort nie betreten. Und im Übrigen habe er Zeugen dafür, dass er zum Zeitpunkt des Mordes beim Nachbarn gesessen und Poker gespielt habe.
Darin bestand das Problem. Der Nachbar und zwei Frauen bezeugten, dass Asko mit ihnen Sonntagmorgen um fünf Uhr Karten gespielt habe. Ihre Aussage war nicht zu erschüttern, und die Ermittlung somit festgefahren. Irene beneidete Tommy nicht um seine Aufgabe. Asko Pihlainen war berüchtigt dafür, dass er stets alles abstritt. Die Zeugen, die gegen ihn aussagten, zogen ihre Aussagen immer nach einiger Zeit wieder zurück. Noch konnte Asko nicht herausgefunden haben, wer die Ornithologen waren, aber das war nur eine Frage der Zeit.
Irene seufzte und beschloss, sich auf ihren eigenen Fall zu konzentrieren. Sie wiederholte ihre Frage:
»Findet ihr, dass wir einen Pfarrer zu den Eltern von Jacob Schyttelius mitnehmen sollten?«
»Ach was. Wenn er selbst Pfaffe ist, dann wird er schon allein damit fertig werden«, meinte
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