Tod im Schärengarten
bemerkte sein geschultes Auge, dass drüben an der Startlinie etwas vorgefallen war. Eine herrliche Swan 601, die als Erste ihrer Bootsklasse vom Start weggekommen war, fiel plötzlich zurück und brach seitlich aus dem Feld der Konkurrenten aus. Ein sehr merkwürdiges Manöver, da sie für den Weg nach Gotland schnurgerade Kurs auf Almagrundet hätte nehmen müssen.
»Gib mir mal das Fernglas«, bat Thomas und streckte die Hand danach aus. Er hob den schwarzen Zeiss-Feldstecher an die Augen und richtete sich zu seiner ganzen Größe von eins vierundneunzig auf, um besser sehen zu können.
Die Swan war gleich hinter der Startlinie hart am Wind gewesen. Sie hätte inzwischen mehrere Hundert Meter weiter vorn sein müssen, aber stattdessen war sie ans Ende des Teilnehmerfeldes zurückgefallen, während die anderen Boote kräftig Fahrt aufgenommen hatten.
Einer von der Crew stand auf dem Vordeck und winkte mit beiden Armen hoch über dem Kopf.
Ein klassisches Notsignal auf dem Meer.
Durch das Fernglas sah Thomas die Verzweiflung im Gesicht des Mannes. Sofort hatte er ein ungutes Gefühl. An Bord musste etwas passiert sein, etwas Ernstes.
»Kannst du was sehen?«, fragte Peter und blinzelte in das grelle Licht.
»Offenbar ist im Cockpit was nicht in Ordnung. Um das Ruder herum stehen mehrere Leute.« Thomas drehte an der Einstellung des Fernglases, um ein schärferes Bild zu bekommen. »Sieht aus«, sagte er langsam, »als ob da ein Mann zusammengebrochen ist, er liegt auf den Planken und bewegt sich nicht. Ist aber schwer zu sagen, ich kann nicht viel erkennen.«
Peter wandte sich rasch an den Polizisten, der am Steuer stand. »Fahr mal rüber zu der Swan.«
Der Kollege warf das Steuerrad herum und gab Gas.
»Jemand hat den Skipper niedergeschossen!«, schrie der junge Mann auf dem Vordeck, als sie näher kamen. Er gestikulierte wild mit den Armen. »Verdammte Scheiße, irgendein Verrückter schießt auf uns!«
Er verstummte abrupt, als wäre ihm plötzlich bewusst geworden, dass noch weitere Schüsse folgen könnten. Erschrocken ging er in die Hocke und presste sich eng an den Mast. In seinen aufgerissenen Augen stand Angst und Verwirrung.
Thomas ließ den Blick übers Wasser schweifen, ohne genau zu wissen, wonach er eigentlich suchte. In dem Gedränge der Boote war es unmöglich, etwas Bedrohliches auszumachen.
Die große Menge der Zuschauer schien noch gar nicht mitbekommen zu haben, dass etwas passiert war. Die meisten waren damit beschäftigt, die Rennsegler zu beobachten, die inzwischen volle Fahrt aufgenommen hatten. Sonnenreflexe tanzten auf dem Wasser, und hinter ihnen türmte sich das riesige Startschiff auf. In der Ferne waren die Umrisse von Sandhamn und vom Leuchtturm Korsö zu sehen.
Thomas erkannte den Ernst der Lage sofort.
Vor seinen Augen war ein Mord begangen worden. Und vor den Augen Hunderter Zuschauer und Regattasegler. Während einer der wichtigsten Wettkampfveranstaltungen des Segelsports.
Das hier würde einen Medienaufruhr ohnegleichen geben.
Eine große Motorjacht, eine Storebro 500, näherte sich ihnen.Sie war fast siebzehn Meter lang und hatte mehrere Decks. Das fein polierte Mahagoniholz glänzte. Gekrönt wurde sie von einer ausladenden Flybridge, einem offenen Aussichtsdeck mit Kommandostand, von dem aus das Schiff gesteuert werden konnte.
Im grellen Sonnenlicht erkannte Thomas eine Gruppe von Männern und Frauen, die auf ihn hinunterblickten.
Ein Mann in mittleren Jahren mit Kapitänsmütze und KSSS – Emblem auf dem Pullover stand am Steuer. Als seine Jacht nur noch wenige Meter vom Polizeiboot entfernt war, beugte er sich über die Reling.
»Ist was passiert?«, rief er.
»Halten Sie Abstand«, brüllte Peter automatisch zurück.
Es war nicht einfach, das Polizeiboot so zu manövrieren, dass sie weder der Swan zu nahe kamen noch mit der Jacht zusammenstießen. Eine Kollision war das Letzte, was sie in dieser Situation gebrauchen konnten.
»Wir haben Julianders Frau an Bord. Was ist mit ihm?«
Im Cockpit des Segelboots richtete sich plötzlich ein Mann in den Fünfzigern mit silbergrauem Haar und Brille auf. Er wirkte benommen und geschockt, so als könne er nicht richtig glauben, was er gerade gesehen hatte. Auf seinem Polohemd waren rote Spritzer.
»Jemand hat Oscar erschossen«, rief er dem Mann mit der Kapitänsmütze zu. »Oscar ist tot!«
Aus den Augenwinkeln sah Thomas, wie eine Frau mit hellbraunem Haar die Hände vors Gesicht schlug, bevor sie aus
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