Tod im Tal der Heiden
gelangen.«
»Aber es gibt einen anderen Weg.« Fidelma überging ihre Einwände. »Da ist noch der Fluß.«
Ibor lachte wegwerfend.
»Ein Fluß mit Stromschnellen und Wasserfällen, den man nicht einmal mit einem Boot befahren kann? Nur ein Lachs könnte so das Tal erreichen. Von diesem sogenannten Weg habe ich von Murgal gehört, der mit der Unangreifbarkeit des Tals prahlte.«
»Laut Cruinn gibt es einen schmalen steinigen Pfad neben dem Fluß, der jeweils einem Mann Platz bietet und manchmal durch Höhlen verläuft, aber schließlich ins Tal führt.«
»Kann man ihr trauen?« Der Lord von Muirthemne war nicht überzeugt.
»Es entfuhr ihr in einem unbedachten Moment, und es tat ihr auch gleich leid. Ich meine, wir können uns daraufverlassen. Das bedeutet, man kommt zu Fuß ins Tal. Werdet ihr den Pfad finden und im Schutz der Dunkelheit die Burg ungesehen erreichen können? Am Ende steht ihr nur ein paar Freizeitkriegern gegenüber, während du eine Schar der Craobh Rígh führst.«
Ibor errötete bei der Andeutung, die Krieger des königlichen Zweiges von Ulaidh fürchteten sich vor einer Handvoll Amateurkriegern.
Diesmal zögerte er nicht.
»Wenn es einen Weg gibt, Schwester, werden meine Männer und ich ihn finden. Können wir ungesehen ins Tal gelangen, werden wir Laisres
rath
vor dem Morgengrauen beherrschen, wie du es verlangst.«
»Gut. Wenn ihr ihn kontrolliert, dann, so meine ich, kann ich den Schleier von dem Komplott und von den Morden lüften, ohne etwas für mich befürchten zu müssen.«
»Aber zuvor müssen wir noch zwölf Stunden überleben«, erklärte Eadulf.
» Wir ?«
fragte Fidelma lächelnd. »Ich habe doch vorgeschlagen, daß du bei Ibor bleibst.«
»Du denkst doch nicht etwa, daß ich dich allein zurückkehren lasse?« fragte Eadulf gereizt.
»Das erwarte ich nicht von dir, Eadulf. Es geht nicht um dein Land.«
»Der Kampf zwischen Cashel und den Uí Fidgente ging mich auch nichts an, aber ich habe mich eingemischt und ihn zu meiner Sache gemacht«, sagte er bestimmt. »Was Cashel bedroht, ist immer auch meine Sache.«
Den letzten Satz sprach er mit einer gewissen Betonung.
Fidelma tat so, als habe sie nicht verstanden, diskutierte aber nicht weiter mit ihm.
»Dann sehen wir dich also morgen früh, Ibor. Wir verlassen uns auf dich.«
Ibor geleitete sie zu der kleinen Schlucht, wo sein rothaariger Unterführer sie, jetzt in sehr respektvoller Haltung, mit ihren Pferden erwartete. Sie verabschiedeten sich kurz, und dann führte sie der rothaarige Krieger aus den Vorbergen heraus bis an den Rand des Tals. Fidelma erlaubte ihm nicht, sie noch weiter zu begleiten, für den Fall, daß sie auf ihrem Rückweg jemandem aus Gleann Geis begegneten. Fidelma und Eadulf ritten weiter nach Süden und hielten sich längs der Vorberge, so daß sie das Tal nicht durchquerten.
»Meinst du wirklich, du kannst beweisen, daß Orla an Solins Tod die Schuld trägt?« brach Eadulf nach einer Weile das Schweigen.
»Ich muß noch eine Frage klären, dann kann ich mit Sicherheit eine Hypothese aufstellen«, erwiderte sie ruhig.
Eadulfs Mundwinkel zogen sich zweifelnd herab.
»Eine Hypothese ist vor einem Richter kein Argument«, antwortete er.
»Stimmt, aber mehr werde ich nicht zu bieten haben«, gab sie zu. »Ich denke, das wird genügen, um die zu mobilisieren, die uns gegen Mael Dúin von Ailech unterstützen werden.«
»Worin besteht deine Hypothese?«
»Das kann ich noch nicht sagen, bevor ich nicht das letzte Kettenglied gefunden habe, und das beunruhigt mich im Augenblick. Wenn es nicht in die Lücke paßt, bricht meine ganze Beweisführung zusammen.«
Sie waren gerade um einen kleinen Hügel herumgeritten, als plötzlich eine Reiterschar von zwei Seiten auf sielosstürmte. Die Männer schrien und schwenkten drohend ihre Schwerter.
Fidelma riß ihr Pferd herum, aber sie waren umzingelt und waffenlos. Eadulfs Pferd bäumte sich auf und schlug mit den Vorderhufen um sich. Er hatte Mühe, sich im Sattel zu halten, doch es gelang ihm, und er bekam das Pferd unter Kontrolle.
Eadulf vergaß seinen geistlichen Stand und fluchte leise vor sich hin. Zum zweitenmal an diesem Tag wurden sie gefangengenommen.
Die Krieger hatten ihre Schwerter kampfbereit auf den Sattelbug gelegt. Fidelma erschauerte. Das waren nicht Ibors Männer.
»Wartet!« rief eine vertraute Frauenstimme.
Der Ring der Männer öffnete sich und ließ eine Reiterin hindurch. Die schlanke Person war offensichtlich ihre
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