Tod im Tal der Heiden
und Colla vermuten, daß du etwas von ihrem Komplott weißt, von dem, was dort wirklich vor sich geht, dann werden sie nicht zögern, dich umzubringen. Wer bewußt den Mord an dreiunddreißig jungen Gefangenen auf sich nimmt, nur um Uneinigkeit und Streit zu stiften, überlegt nicht lange, ehe er weitere Mordtaten begeht, um seine Verbrechen zu decken.«
»Das weiß ich«, gestand Fidelma. »Wie viele Männer, sagst du, hast du bei dir?«
»Zwanzig Krieger der Craobh Rígh, aus dem königlichen Zweig von Ulaidh«, antwortete Ibor stolz. Die Craobh Rígh waren die auserlesene Leibwache der Könige von Ulaidh. Dann fügte er zögernd hinzu: »Warum fragst du?«
»Ich glaube, ich sehe ein Muster, das sich in diesem verschwommenen Bild abzeichnet«, meinte sie nachdenklich. »Laß mich noch einen Moment überlegen.«
Kurz darauf kehrte der Krieger mit einer Handvoll biegsamer Haselruten zurück. Fidelma nahm sie und bat Ibor um ein scharfes Messer. Sie schauten erstaunt zu, wie Fidelma geschickt eine Reihe von Kerben in die Ruten einschnitt. Dann band sie sie mit einem Lederriemen zusammen, den sie ihrem
marsupium
entnahm, und reichte sie Ibor.
»Dein Mann braucht weiter nichts zu tun, als dies meinem Bruder in Cashel zu überbringen. Er soll sie ihm in die Hand geben und niemand anderem. Ist das klar?«
Ibor wandte sich an den Krieger, der ihm die Ruten gebracht hatte.
»Hast du verstanden, was du zu tun hast, Mer?«
Der Krieger nickte und nahm das Bündel Ruten.
»Es wird geschehen, wie du es gesagt hast, Schwester«, versicherte er.
Fidelma schaute zu ihm auf.
»Ich habe eine Botschaft für meinen Bruder in Ogham eingeritzt, in der alten Schrift unserer Sprache. Er versteht sie.«
»Es ist lebenswichtig, daß die Botschaft durchkommt«, fügte Ibor ruhig hinzu. »Die Sicherheit der fünf Königreiche steht auf dem Spiel.«
Der Krieger namens Mer hob die Hand zum förmlichen Gruß und eilte davon.
»Es wird ein paar Tage dauern, bis mein Bruder die Nachricht erhält«, überlegte Fidelma.
»Hast du ihn gebeten, mit einem Heer anzurücken?« fragte Eadulf.
»Und genau das zu tun, wozu ihn Mael Dúin und seine Verbündeten veranlassen wollen?« spottete Fidelma. »Nein.Ich habe ihm lediglich die Situation beschrieben und ihn vor Ailech und vor Ultan von Armagh gewarnt.«
»Was hast du dann vor?« fragte Eadulf verwirrt.
»Wie ich schon sagte, ich werde nach Gleann Geis zurückkehren und weitere Nachforschungen anstellen. Aber ich glaube, ich werde nicht mehr lange zu suchen brauchen. Ibor hat recht. Wir können vielleicht Freunde in Gleann Geis finden, die ebenso entsetzt sind wie wir, wenn sie von diesem Komplott zur Vernichtung von Muman erfahren. Wenn ich genau weiß, wer dafür verantwortlich ist, kann ich ihnen die Tatsachen vorlegen und sie um ihre Hilfe bitten.«
»Aber ist es klug, dorthin zurückzugehen?« wandte Ibor ein. »Du wirst ständig in Gefahr sein.«
Fidelma lächelte kurz.
»Klugheit bedeutet, zur rechten Zeit klug zu sein. Ich muß verschiedenen Leuten ein paar Antworten entlocken. Ich glaube, ich brauche nur noch einen Tag, dann weiß ich Bescheid.«
Eadulf sah sie erstaunt an, doch Fidelma sprach mit ruhiger Zuversicht.
»Es wird später Nachmittag, bis ich wieder in Gleann Geis bin. Also sollte ich morgen früh bereit sein zu handeln. Ich möchte, daß du, Ibor, und deine Männer morgen beim Morgengrauen Laisres Burg unter Kontrolle haben. Zu der Zeit müßt ihr alle beherrschenden Punkte besetzt haben.«
Ibor war so verblüfft von ihrer Forderung, daß es ihm die Sprache verschlug. Eadulf war offenbar noch verwirrter.
»Das ist nicht besonders schwierig«, versicherte ihm Fidelma. »Ich habe nie mehr als ein halbes Dutzend von LaisresKriegern gleichzeitig auf Wache gesehen, und die Tore bleiben die ganze Nacht weit offen.«
Ibor hatte seine Zweifel.
»So leicht ist das nun auch wieder nicht. Selbst in der Dunkelheit kann man Laisres
rath
kaum erreichen, ohne gesehen zu werden. Der Grund, weshalb die Tore nie geschlossen werden, liegt nahe. Nur der Weg durch die enge Schlucht führt ins Tal, und der ist immer bewacht, deshalb braucht man die Tore der Burg nicht zu schließen. Schon an der Schlucht wird Alarm geschlagen, wenn bewaffnete Fremde einreiten.«
Eadulf war derselben Meinung.
»Sogar als wir heute vor dem Morgengrauen hinausritten, wurden wir angerufen, Fidelma«, erinnerte er sie. »Ibor hat recht. Seine Männer können gar nicht erst ins Tal
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