Tod im Tal der Heiden
Schwarzbärtigen namens Artgal, der Orla begleitet hatte, als sie ihr zuerst begegneten.
Es bedurfte keiner Vorstellung, um Laisre, den Fürsten von Gleann Geis, zu erkennen, selbst wenn er sich nicht indem großen Eichensessel geräkelt hätte. Die wirklich erstaunliche Ähnlichkeit mit seiner Schwester Orla verriet ihn sofort. Er besaß denselben Gesichtsschnitt, dieselben dunklen Augen und die gleiche Ausdrucksweise. Hätte er nicht einen langen dünnen Schnurrbart getragen, hätte Fidelma gemeint, sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Bei näherem Hinsehen wurde ihr klar, daß sie Zwillinge sein mußten. Er war schlank und gutaussehend und wußte es vermutlich auch. Er entsprach in keiner Weise dem Bild, das sich Fidelma in Cashel von einem heidnischen Fürsten gemacht hatte. Sie hatte sich einen wilden, ungezügelten Mann vorgestellt. Laisre mochte Heide sein, doch er besaß Haltung, untadelige Manieren und vollendete Höflichkeit.
Als Orla sie in den Raum führte, erhob sich Laisre aus seinem Amtssessel und kam Fidelma entgegen, um sie entsprechend ihrem Rang, den er wohl von Orla erfahren hatte, zu begrüßen. Er streckte ihr die Hand entgegen.
»Du bist sehr willkommen an diesem Ort, Fidelma von Cashel. Ich hoffe, dein Bruder, der König, ist wohlauf?«
»Das ist er, dank der Gnade Gottes«, antwortete Fidelma automatisch.
Von einem der Männer im Raum kam ein unterdrückter Ausruf. Fidelma richtete einen forschenden Blick auf die Gruppe.
Laisre lächelte entschuldigend. In seinen Augen blitzte der Schalk.
»Manch einer hier könnte fragen, dank der Gnade welchen Gottes?«
Fidelmas Augen fanden den Mann, von dem der Laut gekommen war. Er war hochgewachsen und schmal, mit eisengrauem Haar und auffallend bunter, goldbestickterKleidung. Er trug eine goldene Amtskette um den Hals. Ihrem Blick begegnete er mit unverhohlener Feindseligkeit. Sein Gesicht wirkte beinahe vogelartig, spitz mit einem hervorstehenden Adamsapfel, der sich heftig bewegte, wenn er schluckte, was er beständig tat. Seine tiefliegenden schwarzen Augen, starr wie die einer Schlange, verhüllten starke Empfindungen.
»Murgal hat das Recht, seine Meinung kundzutun«, bemerkte sie kühl und wandte sich wieder Laisre zu.
Fidelma merkte, daß der dünne Mann überrascht aufgefahren war. Selbst Laisre staunte, daß sie Murgal entdeckt hatte.
»Kennst du Murgal?« fragte der Fürst zögernd, ohne die einfache Logik zu erraten, mit der sie ihn herausgefunden hatte.
Fidelma unterdrückte ein selbstzufriedenes Lächeln über die Wirkung, die sie erzielt hatte.
»Sicher kennt doch jeder den Ruf Murgals als den eines Mannes von Grundsätzen und Gelehrsamkeit – und von Schicklichkeit«, erwiderte sie ernsthaft, um einen möglichst großen Vorteil zu gewinnen, bevor sie in die Verhandlung mit Laisre eintrat. Es war immer gut, den Gegner gleich zu Anfang in eine ungünstige Position zu manövrieren. Sie hatte lediglich Schlüsse gezogen. Orla hatte mit Murgal, dem Druiden und Brehon ihres Bruders, geprahlt. Fidelma hatte vorher noch nie von Murgal gehört. Aber wer sonst sollte so dicht neben dem Fürsten stehen und eine solche Amtskette tragen? Es war ein reiner Bluff, und er war ihr gelungen. Der Kenntnisreichtum der Gesandten aus Cashel würde sich nun aus dem Ratssaal von Gleann Geis herumsprechen.
Murgal hatte den Mund zusammengekniffen. Seine Augen verschleierten sich, als schätze er ihre Fähigkeiten als seine Gegenspielerin ab.
Die Bedeutung dieses Vorgeplänkels entging allen außer Fidelma und Murgal.
»Tritt vor, Murgal, und begrüße die Abgesandte und Schwester von Colgú von Cashel«, befahl Laisre.
Der hochgewachsene Mann kam herbei und verneigte sich leicht vor Fidelma.
»Auch ich habe von Fidelma gehört, der Tochter von Faílbe Fland von Cashel«, begrüßte er sie mit einer merkwürdig keuchenden hohen Stimme, als leide er an Asthma. »Dein Ruf eilt dir voraus. Die Uí Fidgente haben ein gutes Gedächtnis und schreiben ihre Niederlage im vorigen Winter dir zu.«
Lag in seinen Worten eine versteckte Drohung?
»Die Niederlage der Uí Fidgente, als sie versuchten, den rechtmäßigen König von Cashel zu stürzen, wurde von ihrer eigenen Eitelkeit und Habgier verursacht«, erwiderte Fidelma ruhig. »Dafür sind sie zu Recht bestraft worden. Doch als eine getreue Dienerin von Cashel freut es mich, wenn jeder, der Verrat an Cashel plant, entlarvt wird, und ich bin sicher, daß es Laisre als einen treuen Diener von
Weitere Kostenlose Bücher