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Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Huby
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hingekuschelt im Tal. Geborgen war man da, aber auch weit weg von der Welt. Er fährt durch, ohne nach links oder rechts zu schauen. Und er überlegt, ob er in der Lage sein würde, noch einmal etwas ganz anderes zu machen. Zum Beispiel: Allein sein.
    Was waren das für Menschen, die wegen eines Millionengewinns aus gestohlenem oder geraubtem Schmuck das Leben anderer vernichteten?
    Wer im Dettenhäuser Schulhaus aufgewachsen war, konnte so etwas nicht. Der konnte überdurchschnittliche Fähigkeiten allenfalls entwickeln, wenn es galt, solche Leute zu fangen. Der konnte sich immer nur richtig verhalten, dem Gesetz zu seinem Recht verhelfen... Sein Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse. Er denkt an den kleinen Einbrecher Kalle Reich, der die Villa eines Richters - ausgerechnet! - ausgeraubt hatte. Beute: DM 25,-, auf dem Küchenbuffet zurechtgelegt für die Putzfrau am nächsten Tag... Klein war er, der Kalle, mickrig, vom Leben geprügelt. Aber ein Kollege des Bestohlenen war unnachsichtig. Höchststrafe. Als der Kalle rauskam, erzählte er seine Geschichte einem Journalisten und bekam zweihundert Mark dafür, obwohl die Story nie veröffentlicht wurde. Das Geld haben dann andere Ganoven in der Kneipe bei ihm gesehen und weggenommen, und als er ihnen nachlief und über sie herfiel, obwohl die beiden zusammen das Fünffache von ihm wogen, kam Polizei dazu. Die haben natürlich gegen ihn ausgesagt, die beiden, die ihm das Geld genommen hatten. Und die Polizisten: »Wo willst du denn zwei Hunderter hergehabt haben?« Und er: »Von einem Journalisten.« Da haben sie ihn verprügelt, weil sie glaubten, daß er sie verarschen wollte...
    Musiklehrer hatte er werden wollen.
    Er fährt an Tübingen vorbei und denkt, du mußt irgendwann umkehren. Es wird ein wenig heller. Vorankündigung der Dämmerung. Hinter Hechingen hält er, steigt aus und atmet die feuchte Morgenluft ein. Er läßt den Wagen stehen und geht drauflos. Ein kleines Dorf; die Häuser noch im tiefen Schlaf. Nur in der Bäckerei rumort es. Er klopft an die Scheibe. Ein alter Mann mit einer weißen Mütze schaut heraus.
    »Sagen Sie mal«, sagt Bienzle, »ich dachte immer, die Bäcker haben ihre Brötchen tiefgefroren und können jetzt drei Stunden später aufstehen ? «
    Der Alte lacht. »Ja, wo kommscht au du her?«
    »Von Schtuagert«, sagt Bienzle und merkt überhaupt nicht, daß ihm die andressierte Schriftsprache verlorengegangen ist.
    »Und wo solls nagange?«
    »Eigentlich wiedrz'rück.«
    »Willscht reikomma ? «
    Bienzle wundert sich nicht, daß der Bäcker ihn duzt, und auch nicht, daß er ihn in die Backstube einlädt.
    Jetzt sitzt er an einem langen Tisch. Der Bäcker knetet den Teig, wellt ihn aus, steckt ihn in einen gußeisernen Brötchenformer - »mei einzige Maschin« -, schmeißt die Brötchen, immer zwölf Stück, auf den Schieber und schießt sie in den Ofen ein. Die fertigen kommen dann in einen großen Korb. Bienzle bedient sich. Ich werd Bauchweh kriegen von den ofenwarmen Brötchen, denkt er und wundert sich, daß er beim Denken die Schriftsprache benutzt.
    Sie reden übers Wetter und über den Naturschutz, über die junge Generation und das aussterbende Handwerk. Es ist wohlig warm und trocken hier drin. Der alte, weißbestäubte Mann lacht viel und laut.
    »Und was machst du so?« fragt der Bäcker plötzlich.
    »Ich bin bei der Polizei«, sagt Bienzle.
    Da werden die Augen des Alten schmal, und sein Rücken wird steif. »Das macht eine Mark zwanzig«, sagt er, und es ist kein Zweifel, daß für ihn die Unterhaltung beendet ist.
    Bienzle legt zwei Mark auf den Tisch und steht auf.
    »Daß mr sich so täusche kann«, brummelt der alte Mann.
    »Daß Sie in Ihrem Alter noch solche Vorurteile haben«, sagt Bienzle, und sein neuerliches Hochdeutsch macht die Mauer zwischen ihnen noch dicker.
    Er geht in den Morgen hinaus, wandert zu seinem Auto zurück und wendet.
    Es ist kurz nach sieben Uhr. Bienzle klingelt am Jarosewitchschen Anwesen. Die Dame des Hauses liegt wohl noch im Bett; der Allzweckangestellte Heini erscheint im Bademantel am Gartentor, und die Riesendogge wedelt erfreut mit dem Schwanz und stößt ihren Kopf Bienzle in die Seite, so daß er fast ins Stolpern kommt.
    Bienzle nimmt in der Halle Platz. Jetzt merkt er, wie die Müdigkeit von den Füßen her durch seinen ganzen Körper schleicht. Seine Zunge fühlt sich im Mund dick und pelzig an.
    Als Hedwig Jarosewitch verschlafen und nur mit einem dünnen Négligé bekleidet

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