Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)
diesen abscheulichen Mord begangen haben.“
John fuhr auf, doch Mullins brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Hören Sie zu. Als ich in den Yard kam, hieß es, der Superintendent wäre in einer wichtigen Lagebesprechung und daher unabkömmlich. George dürfte mit niemandem sprechen außer seinem Anwalt. Endlich traf Sir Fitzgerald ein und wurde von den Beamten zu George gebracht. Mir blieb nicht anderes übrig als zu warten. Ich sage Ihnen, das hätte mich fast verrückt gemacht. Das waren endlose Stunden.“
John konnte sich vorstellen, wie zermürbend die erzwungene Untätigkeit für Mullins gewesen war, der es gewohnt war, zuzupacken und das Kommando zu führen.
„Irgendwann viel später kam dann Sir Fitzgerald heraus. Er konnte mir sagen, warum George verhaftet worden war.“ Zum Zerreißen gespannt beugte sich John über den Schreibtisch.
„Das Opfer hatte einen Rucksack dabei. Auf einer Schnalle haben sie Georges Fingerabdrücke gefunden.“ Blitzartig tauchte vor Johns innerem Auge der offenstehende Verschluss von Julia Feldmanns Rucksack auf, den er am Mordabend gesehen hatte.
„Was sagt George dazu? Sicher hat ihn die Polizei mit diesem Indiz konfrontiert.“
Mullins seufzte tief auf.
„Er sagt keinen Ton. Sir Fitzgerald sagte, während der gesamten Vernehmung hätte George kein Wort geäußert. Letzten Endes hat er als Verdächtiger ja auch das Recht, die Aussage zu verweigern. Was mich aber viel mehr erschüttert, ist, dass er weder mit dem Anwalt noch mit mir reden wollte.“
Entgeistert sah John ihn an. Mullins nickte traurig.
„Sir Fitzgerald hatte nach langem Hin und Her erreicht, dass ich mit George sprechen dürfte. Dann wurde uns jedoch mitgeteilt, George habe eindeutig den Wunsch geäußert, in seine Zelle gebracht zu werden, ohne vorher noch mit jemandem zu reden.“ Mullins atmete tief durch.
„Nun werde ich das Gefühl nicht los, dass dieses Verhalten nicht zu einem Mann passt, der unschuldig im Gefängnis sitzt. Und ich frage mich, ob ich George tatsächlich so vollkommen falsch eingeschätzt habe. Mackenzie, was meinen Sie: Könnte unser Ravenmaster tatsächlich ein Mörder sein?“
John rang einen Moment mit sich und fasste dann einen Entschluss.
„Sir, ich glaube, ich muss Ihnen etwas sagen.“
In knappen Sätzen schilderte er seinem Kommandanten alles, was ihm seit dem Mordabend aufgefallen war. Auch wenn er sich bemüht hatte, die einzelnen Vorfälle als bedeutungslos abzutun, hatten sie sich immer wieder in seine Gedanken gedrängt. Er endete mit der Aussage Nigel Owens, dass George in der fraglichen Zeit den Gastraum des Clubs für kurze Zeit verlassen hatte.
„Sir, es tut mir leid. Meine Freundschaft zu George hat meinen Blick getrübt. Ich – wollte es einfach nicht sehen, dass er schuldig sein könnte.“ Er ließ den Kopf hängen.
Da hieb Chief Mullins plötzlich mit der Faust auf den Tisch.
„Einen Moment mal, Mackenzie. Was sagte Owen genau? In welchem Zeitraum war George allein an dem Abend?“
John kramte in seinem Gedächtnis. „Das war, gleich nachdem er die Besuchergruppe von der Schlüsselzeremonie zurückgebracht hatte – “ Schlagartig wurde ihm klar, worauf Mullins hinauswollte.
„Aber selbstverständlich! Wenn er mit den Besuchern nach dem Ende der Schlüsselzeremonie den Innenhof verlassen hat, war es bereits kurz nach zehn, als sie beim Club anlangten. Zu dem Zeitpunkt war das Mädchen bereits tot. Selbst wenn George nicht auf die Toilette ging, sondern tatsächlich hinaus in die Water Lane, kann er sie nicht getötet haben.“
Dann jedoch erlosch sein Lächeln. „Es sei denn, er hat die Politikertruppe während der Zeremonie verlassen und hat sich unbemerkt in die Water Lane hinausgestohlen.“
Ernüchtert sahen die Männer sich an.
„Das wird die Polizei herausfinden, wenn sie die Herren befragt. Dann gehen wir noch einmal durch, was Ihnen sonst aufgefallen war: Sind Sie sicher, dass die Gestalt, die Sie im Dunkeln gesehen haben, George war?“
John zögerte. „Nicht hundertprozentig.“
„Aha. Dann sagten Sie, George wäre in den letzten Tagen abwesend und nicht er selbst gewesen. Aber wir wissen schließlich, dass der Erfolg von Richards Wahlkampagne für George und Marcia immens wichtig ist. Es könnte daher doch sein, dass er einfach in Sorge war, Richards Pläne würden nun durchkreuzt werden.“
„Das sagte mir George auch, aber ich denke nicht, dass das alles war, was ihm auf der Seele gelegen
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