Tod im Weinkontor
bittere Bier. Sie kümmerte sich kaum um die
Geschäfte ihres Mannes, doch sie wusste, dass ihn vor ihrer
Hochzeit ein herber Schlag getroffen hatte. Wegen der Verhansung
Kölns konnte er seine Tuche in den anderen Hansestädten
nicht mehr absetzen. So war er auf den Einfall gekommen, seinem
Schwager Konkurrenz zu machen und selbst Weine in den Londoner
Stalhof zu liefern. Doch Ludwig Leyendecker hatte die besseren
Verbindungen und verstand überdies mehr vom Wein, aber er
hatte seinen Schwager nicht ruiniert wie Johannes Dulcken,
sondern Heinrich sogar in bescheidenem Umfang geholfen. Der
Anschein des Reichtums im Bonenberger Haus konnte allerdings nur
noch mit Mühe aufrechterhalten werden.
Das Essen wurde schweigend eingenommen. Elisabeth entgingen
die bohrenden Blicke ihres Gatten nicht, auch wenn sie ihn kaum
ansah. Manchmal tat er ihr Leid. Doch sie wusste genau, dass es
dazu keinen Anlass gab. Bei der Hochzeit war alles in einem
Vertrag festgelegt worden. Elisabeth hatte als Mitgift eine
ungeheuer große Summe Geldes mitgebracht, das Heinrich aber
nur dann für sein Handelshaus nutzen durfte, wenn er die
merkwürdige Vereinbarung einhielt, die ihm Elisabeths
älterer Bruder aufgezwungen hatte: Es durfte keine
leiblichen Erben geben.
Das war für Heinrich Bonenberg eine kaum annehmbare
Bedingung gewesen. Doch zuvor hatte er zum Erhalt seines Kontors
erhebliche Kredite aufnehmen müssen und war in
Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die Heirat mit Elisabeth
Leyendecker war ihm da gerade recht gekommen. Er hatte gewusst,
dass sie einen etwas merkwürdigen Ruf hatte, aber sie war
eine äußerst schöne und ehrsam wirkende junge
Frau. Und dazu unermesslich reich. In seiner Dienerschaft hatte
man dunkle Dinge angedeutet und gemunkelt, sie stehe mit dem
Bösen in Verbindung, doch nie hatte es die geringste
Bestätigung für diese Gerüchte gegeben.
Elisabeth trank ihren Pokal leer und sah ihren Mann an. In
seinen Augen hockte die Gier.
Die Gier nach ihr.
Sie wusste, dass er andere Frauen hatte, und es war ihr
gleichgültig. In der Ehevereinbarung war zusätzlich
festgelegt worden, dass er sie nicht besitzen durfte. Sie war
froh über diese Klausel, denn Heinrichs Lust war ihr
zuwider. Doch heute konnte sie diese vielleicht für sich
nutzen, wenn sie vorsichtig war.
»Ich frage mich, ob mein Bruder viele Feinde gehabt
hat«, meinte sie und spielte mit ihren schlanken Fingern um
den Rand des Pokals. Sie hatte mit ihrem Mann noch nie eingehend
über Ludwig gesprochen. Immer, wenn sie es versucht hatte,
war es Heinrich gelungen, die Unterhaltung abzubrechen oder in
andere Bahnen zu lenken. Ihre Gespräche beschränkten
sich daher auf die allernotwendigsten Haushaltsbelange.
»Wen interessiert das jetzt noch?«, gab Heinrich
zurück und stützte den Kopf in die Hände, ohne den
Blick von ihr abzuwenden.
»Wie war er als Kaufmann und als Politiker?«,
setzte sie nach.
Trineken, die alte Magd, kam herein und räumte das
Geschirr ab. Die Herrschaft wusch sich die Hände und
trocknete sie an Trinekens Leinentuch. Steif blieben sie sich
gegenüber sitzen.
»Du hast mir noch nie solche Fragen gestellt«,
meinte Heinrich.
»Die Welt des Handels hat mich nicht
interessiert«, gab Elisabeth zurück. »Die Welten
der Kunst und Musik liegen mir näher, doch dir sind sie
anscheinend für ewig verborgen.« Sie lächelte ihn
herausfordernd an.
»Warum stellst du mir dann ausgerechnet jetzt solche
Fragen?«, wollte Heinrich wissen und goss sich noch einen
Pokal des sauren, leicht mit Honig gesüßten
Elsässers ein.
»Wäre es dir gleichgültig, wenn einer deiner
Brüder Selbstmord begangen hätte?«
»Das wäre nicht meine Angelegenheit. Solange sich
so etwas nicht auf das Geschäft auswirkt, ist es
belanglos.« Heinrich nahm einen Schluck Wein und schnalzte
genüsslich mit der Zunge. Er verstand nicht viel von diesem
edlen Saft.
Elisabeth ekelte sich vor Heinrich. Wenn es damals nicht
für alle der beste Weg gewesen wäre, hätte sie
sich ihrem Bruder so lange widersetzt, bis er ihr einen anderen
Gatten ausgewählt hätte.
Heinrich leckte sich mit der Zunge über die Lippen und
sah dabei seine Frau an. »Wenn du unbedingt wissen willst,
wie dein lieber Bruder wirklich war, könnte ich dir einen
kleinen Handel vorschlagen.«
»Einen Handel?« Elisabeth tat so, als wisse sie
nicht, was er damit meinte.
Er seufzte. »Drei Jahre sind wir nun schon
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