Tod im Weinkontor
Pakt mit dem
Bösen?«
»Ihr etwa nicht? Ihr Pfaffen seid es doch, die uns
andauernd mit der Hölle drohen, sobald uns etwas auf Erden
Spaß machen könnte«, höhnte Dulcken und
grinste Andreas frech an.
»Lenkt nicht ab«, sagte der Kaplan, dem dieses
Gespräch zunehmend unangenehm wurde. Der Kot auf seinem Rock
sandte ihm fette, beißende Düfte in die Nase.
»Ich will nur wissen, ob Ihr der Meinung seid, dass
Leyendecker sich umgebracht hat.«
»Ihr seid sehr neugierig«, versetzte ihm Dulcken.
»Solltet Ihr Euch nicht besser um Eure lebenden
Schäfchen kümmern? Betet um Leyendeckers Seele, das ist
das Einzige, was Euch ansteht. Obwohl ich bezweifle, dass Gebete
bei ihm noch etwas ausrichten können.«
»Es ist nie umsonst, für jemanden zu beten, damit
seine Seele schneller aus dem Fegefeuer erlöst wird«,
sagte Andreas in einem belehrenden Ton, den er sonst nur seinem
Schüler gegenüber anschlug.
»Es ist umsonst, denn Leyendecker schmort in der
Hölle – nicht nur wegen des Paktes. Er war ein durch
und durch böser Mensch«, brummte Dulcken und umfasste
sein Gewürzkästchen, als sei es ein Säugling.
Andreas spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn
trat. »Ihr beleidigt das Andenken meines Freundes!«,
brauste er auf. »Bedenkt, was Ihr sagt!«
»Ich sage nur die Wahrheit.«
»Welche Wahrheit?«
»Wollt Ihr mit mir disputieren? Geht dafür besser
an die Universität.«
Andreas fühlte sich elend. Er hatte viel Geld verloren,
stank, und nun musste er sich auch noch Beleidigungen über
seinen toten Freund anhören. Es reichte ihm. »Ich habe
gehört, dass Ihr Euren Untergang selbst verschuldet
habt«, sagte er entschlossen und lehnte sich gegen die
Backsteinmauer, die die Gasse im Westen begrenzte. »Ihr
habt Euren Wein gepanscht, um mehr Gewinn zu machen, doch Eure
Gier hat sich gegen Euch gewendet.«
Dulckens Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ja, das
sagt man«, erwiderte er mit einer Stimme, die so kalt war,
dass sich Andreas’ Nackenhaare aufstellten. »Was man
aber unterschlägt, ist die Tatsache, dass Leyendecker
entweder selbst oder durch seine Handlanger meine Fässer
gepanscht hat. Im Londoner Stalhof hat man Blüten und
Rosinen in meinem besten Moselwein gefunden. Ich weiß, dass
dies ein Mittel ist, um den Wein gehaltvoller zu machen, aber
warum sollte ich den wunderbarsten Wein, den ich habe, panschen,
wenn ich auch ohne solche Mittel Höchstpreise dafür
erzielt habe?«
Andreas wusste darauf nichts zu sagen. Die Glocken von Sankt
Aposteln sagten ihm, dass er sich zur Mittagsmesse auf den Weg
machen musste, wenn er nicht mit einer ernsten Strafe rechnen
wollte.
Dulcken fuhr fort: »Mein Haus war Leyendecker schon
immer ein Dorn im Auge. Als er merkte, dass er mich mit den
üblichen kaufmännischen Mitteln nicht aus dem Feld
schlagen konnte, hat er es eben anders versucht. Und der Bastard
hat Erfolg gehabt! In London konnte ich meinen Wein nicht mehr
anbieten, und wegen der Verhansung sind Waren kölnischer
Kaufleute im Norddeutschen nicht gut angesehen. Es war mir nicht
möglich, meine Kredite zurückzuzahlen, und meine
großen Weinbestände bin ich ebenfalls nicht
losgeworden. Mit einem Panscher macht man keine Geschäfte.
Ich konnte nicht beweisen, dass nicht ich, sondern Leyendecker
den Wein versetzt hatte. Also war alles für mich vorbei. Ich
habe mein Lager und mein Haus verloren. Und jetzt bin ich
gezwungen, allerlei Dinge zu verkaufen, mit denen man den Wein
verbessern kann, und es ernährt mich kaum. Ist das nicht
seltsam? Ich, der ich immer nur auf allerbeste Ware geachtet
habe, muss nun Ingredienzien verkaufen, mit denen man auch den
sauersten Wein ein wenig schmackhafter machen kann. Leyendecker
hat mich erst zu dem gemacht, was er mir vorgeworfen hat. Wisst
Ihr übrigens, wer meinen Wein billig aufgekauft und im
Stalhof zu Höchstpreisen umgesetzt hat?«
»Leyendecker?«
Dulcken nickte. »Es war für ihn mehr als lohnend.
Er hat einen Konkurrenten beseitigt und gleichzeitig mit dessen
Hinterlassenschaft ein großes Geschäft gemacht. Und da
soll ich nicht glauben, dass dieser Hundesohn mit dem Teufel im
Bunde war? Soll er doch in der Hölle schmoren! Dort
gehört er hin.« Dulcken wandte sich ab und humpelte in
Richtung Sankt Aposteln los. Seine Amulette blinkten und
blitzten.
Andreas sah ihm nach, bis Dulcken den engen Durchgang zur
großen Kirche passiert hatte und verschwunden war. Er
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