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Tod im Weinkontor

Tod im Weinkontor

Titel: Tod im Weinkontor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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verstrickt war, deren Zeuge Ludwig Leyendecker
in London geworden war. Und nun hatte sich Andreas unwissend in
seine Gewalt begeben.
    »Das geht mich nichts an«, brummte Palmer, der
offenbar unsicher geworden war und nicht mehr wusste, was er tun
sollte.
    »Wohin sind sie gegangen?«, fragte Hülshout
mit deutlichem Zweifel in der Stimme.
    »In den Leyendecker’schen Weingarten bei Sankt
Severin«, antwortete Elisabeth und sah den Geistlichen
scharf an. »Wir müssen sofort etwas
unternehmen.«
    »Anne, komm!«, herrschte Palmer seine Frau an.
    »Nur, wenn du uns hilfst«, entgegnete seine Frau
und stemmte mutig die Fäuste in die Hüften. »Wie
bist du überhaupt aus dem Kerker herausgekommen?«
    »Ich bin Engländer. Der Richter hat bekommen Angst,
denn man hat ihm gesagt, er darf mich nicht verurteilen. Er hat
es endlich verstanden wohl. Ich bin frei.«
    Anne ging auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Hals.
Elisabeth traute ihren Augen nicht. Dann küsste sie ihren
Mann. Er entspannte sich. Nun erlaubte sich Elisabeth ein leises
Lächeln. Die Waffen einer Frau waren immer noch die
wirksamsten. Anne flötete: »Ich gehe mit dir, wohin du
willst, wenn du uns jetzt hilfst.«
    Edwyn sah sie an; sein Mund verzog sich zu einem Lächeln.
Er packte sie und drückte sie grob an sich. »Mein
Mädchen! Was soll ich tun?«
    Ob sie wirklich bei ihm bleiben wird?, dachte Elisabeth. Sie
würde darauf keine Wette eingehen. »Kommt mit uns in
den Weingarten. Sofort!«, befahl sie.
     
    Hülshout entschuldigte sich mit seinem Alter und seinem
angeblich schlechten Gesundheitszustand; die übrigen drei
machten sich auf den Weg. Anne hatte sich bei Palmer
eingehängt und küsste ihn immer wieder. Ihr Mann gab
die Gunstbezeugungen gern zurück. Es wirkt so echt, dachte
Elisabeth. Hatte Edwyns Nähe etwa tatsächlich
ausgereicht, um Anne umzustimmen? Wenn dem so war, dann verstand
Elisabeth ihre Geschlechtsgenossinnen wirklich nicht mehr. Die
Hauptsache aber war, dass sie zu Andreas unterwegs waren. Ihn
würde man sicherlich nicht so leicht hinters Licht
führen können. Er war so geradlinig und freundlich, so
zuvorkommend und lieb. Elisabeth machte sich schreckliche Sorgen
um ihn. In Gedanken sah sie ihn schon enthauptet, erstochen oder
erwürgt zwischen den Rebstöcken liegen. Das Herz schlug
ihr bei jedem Schritt bis zum Hals.
    Sie hatten keine Laterne dabei, doch inzwischen schien der
Mond immer häufiger zwischen den Wolken hindurch. Elisabeth
kannte den Weg und führte die beiden anderen an. Hinter sich
hörte sie immer wieder das Schmatzen von Küssen.
    Sie kannte die Schleichwege, auf denen man die in der Nacht
gesperrte Severinstraße umgehen konnte. Die Nacht war
unheimlich still. Alles schien Schweigen und Weltenferne
auszuatmen: die kleinen, schiefen Häuser, der Lehm in den
Gassen, die Bäume, durch deren Laub nicht der geringste
Luftzug fuhr, ja sogar die fernen Sterne, die wie die Augen
unzähliger Engel oder Dämonen auf die Erde
hinabblickten.
    Bald hatten sie die Weingärten erreicht. Elisabeth fiel
der Handkarren in der Nähe des alten Bildstocks auf, nicht
weit davon war scheinbar jemand durch die Hecke gebrochen. Sie
blieb vor dem Durchgang stehen und drehte sich nach ihren
Gefährten um. Annes Kleid war ein wenig verrutscht, und ihre
Wangen waren im kalten Mondlicht rot wie Äpfel im
Spätherbst. Palmer sah glücklich und kraftstrotzend
aus. Elisabeth schüttelte verständnislos den Kopf.
Wieso machten sich Männer so leicht zum Narren?
    Ist es bei Frauen anders?, dachte sie, als sie Anne ansah. Sie
wurde das Gefühl nicht los, dass Anne nicht nur aus
Berechnung gehandelt hatte.
    Elisabeth legte den Finger auf die Lippen und schlüpfte
durch das Loch in der Hecke. Die beiden folgten ihr. Der Mond
verschwand hinter einer dicken Wolke, und Schwärze legte
sich über den nächtlichen Weingarten. Da sah Elisabeth
das Licht. Es dämmerte durch die Reben und schien irgendwo
rechts vor ihr seinen Ursprung zu haben. Sie erstarrte und
lauschte. Waren das nicht menschliche Stimmen? Sie warf Anne und
Edwyn einen fragenden Blick zu. Der Engländer nickte und
krempelte sich die Ärmel hoch. Leise und behutsam schlichen
sie sich an die Stimmen heran. Bald erkannte Elisabeth die hohe
Stimme Barbara Leyendeckers und die dumpfe von Heinrich
Bonenberg. Ihr blieb beinahe das Herz stehen, als sie daneben
auch Andreas’ leise Worte hörte. Er lebte! Doch dann

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