Tod im Weinkontor
die Arme aus. Bekam den Zipfel eines Rockes zu fassen.
Zerrte daran. Die Frau taumelte und stürzte. Der Spaten, den
sie über der Schulter getragen hatte, rutschte ihr aus der
Hand und fiel zu Boden. Die Frau lag nun auf dem Bauch. Andreas
setzte sich schwer auf ihren Rücken und warf einen Blick
nach hinten. Bonenberg war nur noch wenige Meter von ihr
entfernt. Er keuchte und schnaufte. Dann stand er neben Andreas
und hielt die Lampe niedriger. Andreas erhob sich kurz und drehte
die Frau, die sich kaum wehrte, um. Er blickte ihr ins Gesicht.
Sie grinste ihn an. Es war Barbara Leyendecker.
»Ihr… Ihr…«, stammelte Andreas. Sie
schien gar keine Angst vor ihm zu haben. Ihr Grinsen war wie
festgefroren. Bonenberg stellte seine Laterne außer
Reichweite neben Barbara auf dem Boden ab. Die Kerze darin
flackerte und machte die Reben und die verdrehten Stämme
abwechselnd riesig und winzig. Alles schien sich in
Auflösung zu befinden. Andreas hockte auf der Leyendeckerin,
die ganz still dalag.
»Habt Ihr den armen Dulcken gefunden?«, fragte sie
und sah ihn mit ihren kalten, dunkelbraunen Augen spöttisch
an.
»Ihr habt ihn umgebracht!«, keuchte Andreas.
»Habt Ihr auch Euren Mann auf dem Gewissen?«
»Nein«, hörte er hinter sich die Stimme
Heinrich Bonenbergs. Im selben Augenblick wurden ihm die
Hände nach hinten gerissen und festgebunden. Er war so
verdutzt, dass er sich nicht einmal wehrte. Dann zerrte Bonenberg
ihn von Barbara herunter und setzte ihn unsanft in das Gras neben
der Laterne. Die Leyendeckerin erhob sich, klopfte Staub und Lehm
vom Kleid und stellte sich an Heinrichs Seite. Andreas sah die
beiden ungläubig an.
»Ich glaube, es ist Zeit für ein paar
Erklärungen«, meinte Barbara und legte den Arm um
Heinrichs Schulter. Der Kaufmann genoss diese Geste sichtlich.
»Heinrich und ich sind schon seit einiger Zeit ein
Liebespaar. Ludwig war uns im Weg, also musste er weg.« In
ihrem Blick lag eine unbändige Freude. Das Licht der Laterne
und des Mondes zauberte Schatten auf ihr blasses Gesicht, das
früher einmal so schön gewesen war. Jetzt schienen
Dämonen auf ihm zu tanzen. Sie redete weiter: »Wir
haben Ludwig gezwungen, diesen Abschiedsbrief zu schreiben und
auch den Teufelspakt zu unterzeichnen, den ich mit meinem
Klosterlatein aufgesetzt habe. Es stimmt, dass wir ein wenig
Gewalt anwenden mussten. Wir haben dem armen und dummen Ludwig
gesagt, wir wollten bloß ein Druckmittel gegen ihn in der
Hand haben, falls er nicht den Weg für Heinrich frei machen
und mir sein Handelshaus überschreiben wolle. Mit dem Messer
an der Kehle hat er uns gehorcht.« Sie lachte auf; die
Dämonen sanken tief in sie ein und durchtränkten ihr
Innerstes. »Aber Heinrich wollte später doch ganz
sicher sein, dass Ludwig uns keinen Strich durch die Rechnung
macht. Und da musste Ludwig eben sterben. Alle Spuren für
den Selbstmord waren ja bereits gelegt.«
»Ihr habt die Rechnung ohne mich gemacht«,
stieß Andreas zwischen den Zähnen hervor und
kämpfte gegen seine Fesseln an, doch sie waren zu fest.
»Ich habe die verräterische Formulierung in Ludwigs
Abschiedsbrief entdeckt und euer ganzes Komplott
aufgedeckt!«
»Das ist leider richtig, aber es nützt dir nichts
mehr, kleiner Pfaffe«, meinte Bonenberg. »Du wirst
diesen Weingarten nicht mehr lebend verlassen. Du wirst neben
Dulcken Dünger für den Wein des Herbstes werden. Dein
rotes Blut wird zum roten Saft, den dein Herr Jesus Christus beim
letzten Abendmahl genossen hat. Gibt es einen schöneren Tod
für dich?« Er streichelte Barbaras Brust.
»Woher kam das Zauberbuch?«, fragte Andreas. Er
kam sich lächerlich vor, dass er diese Frage stellte, doch
nun, da anscheinend sein letztes Stündlein geschlagen hatte,
wollte er alles erfahren, was mit dieser schrecklichen Tat
zusammenhing.
»Ach ja, das Zauberbuch«, sagte Barbara und
drückte Heinrichs Hand weg. »Mein Geliebter war der
Meinung, man solle den Teufelspakt dadurch glaubhafter machen,
indem man Ludwigs Nachlass ein magisches Werk unterschiebt. Ich
selbst habe es bei dem Drucker Ulrich Zell erstanden.
Natürlich habe ich dort nur als angebliche Botin meines
geliebten Gemahls gehandelt. Zell glaubte, Ludwig wolle dieses
Buch unbedingt haben – und er war der Ansicht, dass ich es
nicht einmal lesen könne. Er hat mich kaum als
eigenständigen Menschen angesehen. Ich muss gestehen, dass
es mir in diesem Fall ganz recht
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