Tod in der Königsburg
werde ich beweisen.«
Solam war wieder auf den Beinen. »Dieser Beweis dürfte interessant werden. Ich möchte nun meiner ersten Darlegung des Falles gegen Muman noch etwas hinzufügen. Ich habe bewiesen, daß einer der Attentäter ein Mitglied der Leibgarde des Königs von Cashel war . . .«
»Du hast nichts dergleichen bewiesen!« unterbrach ihn Fidelma. »Die Tatsache, daß er das Abzeichen der Goldenen Kette trug, macht ihn noch nicht zum Mitglied des Ordens.«
»Das werden wir im Licht des Beweismaterials beurteilen«, versicherte ihr Brehon Rumann.
»Das Beweismaterial wird noch eine andere Verbindung aufdecken«, fuhr Solam triumphierend fort. »Ich sagte bereits, daß der andere Attentäter der Bruder des Bewahrers der heiligen Reliquien in Imleach war. Am Abend vor dem Attentatsversuch verschwand der Bewahrer der heiligen Reliquien mit den Reliquien Ailbes aus Imleach. Er richtete es so ein, daß es aussah, als sei er von Feinden verschleppt worden. Das sollte er tun, damit man den Uí Fidgente die Schuld daran zuschieben könnte. Weise Richter, ich habe mich der Person dieses mitverschworenen Mönchs Bruder Mochta versichert, dessen Zwillingsbruder Baoill der Attentäter war, von dem ich sprach. Er sitzt dort und wird als Zeuge aufgerufen werden, und ich freue mich, sagen zu können, daß Gionga von den Uí Fidgente das Reliquiar Ailbes gefunden hat, das hier in Cashel versteckt war, damit man seinen Diebstahl den Uí Fidgente zuschreiben könnte.«
Rot vor Zorn war Fidelma aufgesprungen. »Weise Richter, das ist eine Verdrehung der Wahrheit.«
Solam war ebenso aufgebracht. »Wahrheit? Die
dálaigh
von Cashel führt ständig die Wahrheit im Munde. Kann sieuns auch erklären, warum sie Bruder Mochta und die heiligen Reliquien versteckt hat? Warum sie Mochta und jene Reliquien von Imleach nach Cashel geschmuggelt hat, ohne irgend jemandem etwas davon zu sagen, und versucht hat, sie im Hause einer stadtbekannten Prostituierten zu verbergen? Einer Prostituierten?«
Jetzt gab es einen Aufruhr in der Halle, weil nun doch jeder auf Solams Theatralik reagierte.
»Stimmt das, Fidelma?« wollte Brehon Rumann wissen, nachdem er Ruhe geboten hatte.
Eadulf stöhnte, weil er wußte, was Fidelma darauf antworten mußte.
»Die Tatsachen stimmen, aber . . .«
Der Rest ihrer Rede ging im Lärm unter.
»Außerdem, außerdem . . .«, schrie Solam rasch und ließ ihr keine Zeit, den Satz zu beenden, als der Sturm sich legte. »Außerdem gab es noch ein weiteres Komplott mit dem Ziel, die Uí Fidgente in Verruf zu bringen. Man hat einen Trupp Söldner angeheuert, die Imleach überfielen, den heiligen Eibenbaum dort fällten und einen Eber in den Stumpf schnitten, das Emblem meines Fürsten, um damit den Uí Fidgente die Schuld unterzuschieben.
Hinter allen diesen Intrigen, behaupte ich, steckt der König von Muman. Es geht darum, die Uí Fidgente in Mißkredit zu bringen, um einen Vorwand zu bekommen, sie zu vernichten. Ich behaupte, daß alle Eóghanacht daran beteiligt sind, vom König und seiner Schwester, die sich hier als seine unvoreingenommene Anwältin aufspielt, über die Fürsten von Muman bis zum Comarb von Ailbe selbst.«
Rasch setzte er sich wieder, und Wut und Zorn erfüllten die Große Halle.
Brehon Rumann wartete, bis wieder Ruhe eintrat, und schaute dann Fidelma scharf an.
»Das sind wahrhaftig schwere Vorwürfe, die ich da gehört habe, so schwere Vorwürfe, wie sie kein
dálaigh
erheben würde, wenn er nicht sehr gute Gründe dafür hätte. Bevor wir uns die Beweise anhören, die Solam dafür vorzulegen hat, ist es meine Pflicht, dich dein Gegenplädoyer fortsetzen zu lassen, Fidelma. Dabei muß ich bedenken, daß du selbst die Wahrheit bestimmter Vorwürfe zugegeben hast, die Solam gegen dich gerichtet hat. Willst du sprechen?«
Fidelma erhob sich. Es herrschte absolute Stille in der Großen Halle, und alle lauschten gespannt ihren Worten.
»Ja, weise Richter«, begann sie. »Erlaubt mir zu bemerken, daß ich die Tatsachen anerkannt habe, nicht aber den Sinn, den Solam ihnen unterlegt.«
Brehon Rumann runzelte die Stirn. »Die Tatsachen scheinen für sich zu sprechen«, meinte er. »Wir alle sind an die Tatsachen gebunden, und Tatsachen lassen sich nicht verändern.«
»Mit Verlaub, weiser Richter, eine Tatsache hat viele Seiten. Sie ist wie ein Getreidesack. Kann ein leerer Getreidesack stehen? Nein, man muß ihn erst mit Korn füllen. Dann kann er auch stehen. Eine Tatsache ist wie ein
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