Tod in der Königsburg
leerer Getreidesack. Auch sie steht nicht, wenn sie nicht gefüllt wird. Die Tatsache muß zusammen mit den Ursachen geprüft werden, die zu ihr geführt haben.«
Brehon Rumann wollte schon antworten, als ihm aufging, was Fidelma meinte. »Ich verstehe. Du hast sicherlich vor, unseren Getreidesack zu füllen?«
»Ja, weiser Richter.«
»Ich nehme an, du wirst Solam entgegenhalten, daß dasKönigreich von Cashel nicht der Verschwörung schuldig ist, mit dem Ziel, die Uí Fidgente in Verruf zu bringen? Daß es in Wirklichkeit die Uí Fidgente sind, die ein Komplott gegen das Königreich von Muman und die Eóghanacht schmieden?« Rumann lehnte sich zurück. »Habe ich recht mit dieser Vermutung?«
Es trat eine kurze Pause ein.
Dann sagte Fidelma: »Nein, weiser Richter. Du hast nicht recht.«
Es war totenstill. Brehon Rumann starrte sie an, als habe er nicht recht gehört. Seine Kollegen Dathal und Fachtna waren ebenso verblüfft.
»Ich habe dich wohl nicht richtig verstanden. Ich sage noch einmal, du wirst doch sicher Solam entgegnen, daß die Eóghanacht nicht einer Verschwörung schuldig sind, woraus folgt, daß dann die Uí Fidgente einer Verschwörung gegen Cashel schuldig sind.«
»Weise Richter«, sagte Fidelma laut und deutlich, »die Uí Fidgente sind nicht einer Verschwörung gegen Cashel schuldig.«
Das Schweigen war beinahe lastend.
»Außerdem«, fuhr sie fort, »kann ich die Eóghanacht nicht von der Verantwortung für eine Verschwörung mit dem Ziel, Zwist in diesem Königreich zu entfachen, freisprechen.«
»Fidelma! Was tust du da?« Colgú war mit aschfahlem Gesicht aufgesprungen. Seine Stimme durchschnitt das entsetzte Schweigen in der Großen Halle wie ein Peitschenschlag. »Du hast mich verraten!«
KAPITEL 24
Nach diesem Aufschrei des Königs brach in der Großen Halle die Hölle los. Zornige Rufe der Adligen von Muman mischten sich in die Empörung des Volkes. Von allen Seiten wurden Fidelma Drohungen entgegengeschleudert, während sie ruhig vor den Richtern stand.
Brehon Rumann sah bestürzt aus. Es verstieß gegen jedes Protokoll, daß ein König die Verhandlung mit einem solchen Ausbruch störte. Es war auch gegen alle Regeln, daß ein Anwalt der Verteidigung sich in den Ankläger derer verwandelte, die er zu vertreten hatte. Das Geschrei in der Großen Halle war ohrenbetäubend. Rumanns Hammer konnte allein dem nicht Einhalt gebieten. Auch als der Haushofmeister mit seinem Stab auf den Boden klopfte, dauerte es noch eine Weile, bis der Lärm in ein unwilliges Gemurmel überging.
»Colgú von Cashel«, wandte sich Rumann streng an den König, »du mußt dich wieder auf deinen Platz setzen.«
Colgú war völlig verwirrt und konnte nicht glauben, was seine Schwester da gesagt hatte. Er zögerte, dann ließ er sich von seinem Barden und Ratgeber Cerball zu seinem Platz zurückführen. Abt Ségdae hatte sich nicht gerührt. Er war bleich geworden vor Entsetzen.
Der Fürst der Uí Fidgente tauschte ein triumphierendes Lächeln mit Solam.
Nachdem etwas Ruhe eingetreten war, wandte sich Brehon Rumann mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln an Fidelma.
»Fidelma von Cashel, ich habe dir in dieser Verhandlung sehr viel Freiheit gelassen. Das kann ich nicht weiter tun.Zur Eröffnung habe ich die Anforderungen erläutert, die ich an diese Verhandlung stelle. Kein Anwalt darf in seinem Plädoyer die Seite wechseln und die Interessen seines Klienten verraten. Du hast dich eines Verstoßes gegen die Regeln dieses Gerichts schuldig gemacht, und ich verhänge über dich eine Geldstrafe von . . .«
»Brehon Rumann!« Fidelmas Stimme war so scharf, daß sie den vorsitzenden Richter innehalten ließ. »Ich habe weder die Seite gewechselt, noch habe ich die Interessen des Königs von Muman verraten. Laß mich das erklären.«
Rumann starrte sie entgeistert an. »Du hast doch aber tatsächlich die Seite gewechselt, denn in deinem Eröffnungsplädoyer hast du ganz klar vor Zeugen geäußert . . .« Er nahm ein Blatt zur Hand, das ihm einer der Schreiber gereicht hatte. »Du hast gesagt, es gäbe keine Verschwörung des Königs von Muman mit dem Ziel, den Fürsten der Uí Fidgente ermorden zu lassen. Du hast deutlich erklärt, das würdest du beweisen. Jetzt sagst du, es gab eine solche Verschwörung des Königs von Muman.«
Fidelma schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich drücke mich sehr genau aus, wie ich es auch vom Gericht erwarte. Ich habe gesagt, ich kann die Eóghanacht nicht von der Verantwortung
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