Tod in der Königsburg
des Feldes, das sie gerade verlassen hatten.
Der angriffsbereite Wolf stand still und hob den Kopf ins Mondlicht, dessen weiche Strahlen auf seine emporgereckte Schnauze fielen. Tief aus seiner Kehle drang ein Laut, zuerst schwach, dann zunehmend an Stärke, bis sich die Kiefer öffneten und ein geisterhaft schrilles Geheul die Luft zerriß. So etwas hatte Eadulf noch nie vernommen. Dreimal hintereinander durchbohrte der Ruf die abendliche Stille um sie her. Als er verklang, schien der Wolf abwartend zu lauschen.
Tatsächlich kam vom Feld her ein antwortender Ruf, ein fürchterlicher, klagender Schrei.
Ohne auch nur einen weiteren Blick auf Eadulf zu werfen,drehte der Wolf ab, sprang über die Steinmauer und verschwand auf dem Feld hinter ihnen.
Eadulf stand noch wie versteinert da. Der Schweiß lief ihm von der Stirn, und der Knüttel in seiner Hand war feucht.
Fidelma bewegte sich als erste.
»Komm weiter, falls noch mehr von diesen Biestern in der Nähe sind. Wir müssen uns in der Ortschaft in Sicherheit bringen.«
Als Eadulf sich nicht rührte, zog sie ihn am Ärmel.
Er faßte sich und eilte ihr mit raschen Schritten nach, wobei er unruhige Blicke zurückwarf.
»Aber sie laufen zu dem Feld, wo wir . . .«
»Natürlich!« fauchte Fidelma. »Was denkst du denn, weshalb der Wolf von uns abgelassen hat? Sein Partner . . .« ihre Stimme zitterte etwas, »hat die Leiche gefunden, eine leichtere Beute als wir. Das bedeuteten die furchtbaren Schreie, die sie gewechselt haben. Mit seinem Tode hat der arme Mann uns gerettet.
Deo gratias! «
Übelkeit stieg in Eadulf auf, als ihm klar wurde, welch grausiges Mahl jetzt am Brunnen gehalten wurde. Aber auch sie hätten als Speise dienen können. Fidelma hätte . . . Er murmelte:
» Agnus Dei
. . . o Lamm Gottes . . .« Es war das Gebet zur Begräbnisfeier.
»Spar deinen Atem«, unterbrach ihn Fidelma gereizt. »Ehre das Opfer des Mannes, indem du dich seiner würdig erweist und in Sicherheit gelangst.«
Eadulf verstummte, von Fidelmas Schroffheit verletzt. Schließlich lag ihm ihre Sicherheit mehr am Herzen als seine eigene. Doch er begriff zum erstenmal, seit er sie kannte, daß auch sie nicht frei von Furcht war.
Sie schwiegen, bis sie den Rand der Ortschaft erreicht hatten und die Hauptstraße entlanggingen, rasch an der brennenden Lampe vor der Herberge Creds vorbei. Es waren nur wenige Leute auf der Straße, und niemand schien von ihnen Notiz zu nehmen, bis sie zur Schmiede kamen.
Trotz der späten Stunde saß der Schmied noch an einem glühenden Kohlenkorb neben seinem Amboß. Er polierte eine Schwertklinge. Er blickte auf und erkannte sie.
»Ich würde in der Dunkelheit lieber nicht mehr ausgehen, Lady«, begrüßte er sie.
Fidelma blieb vor ihm stehen. Sie hatte ihre Fassung vollständig wiedergewonnen und sah ihn gelassen an. »Warum nicht?«
Der Schmied hielt lauschend den Kopf schief. »Hast du sie nicht gehört, Lady?«
In der abendlichen Stille drang fernes Wolfsgeheul an ihre Ohren.
»Ja, wir haben sie gehört«, sagte sie gepreßt.
Der Schmied nickte langsam. Er hatte seine Tätigkeit nicht unterbrochen. »Ich habe sie selten so dicht am Ort erlebt«, bemerkte er. »An eurer Stelle würde ich schnell in die Abtei zurückkehren.«
Er vertiefte sich wieder in seine Arbeit, doch dann hob er erneut den Kopf. »Ich glaube, als
bó-aire
des Ortes müßte ich wohl morgen eine Jagd veranstalten und diese Halunken aus ihren Verstecken herausscheuchen.«
Eadulf schien es, als hätten diese Worte noch eine andere Bedeutung. Er fragte sich, ob das wirklich so sei oder ob er infolge der Aufregung des Abends schon Dinge hörte, die es gar nicht gab.
Fidelma schritt ohne ein weiteres Wort auf dem Weg andem großen Eibenbaum vorbei und auf die hohen dunklen Mauern der Abtei zu. Eadulf eilte ihr nach. Als sie außer Hörweite waren, sprach er seine Gedanken aus.
»Meinst du, daß seine Worte noch eine verborgene Bedeutung hatten?«
»Ich weiß es nicht. Wohl eher nicht. In diesem Stadium sollten wir für alles offen sein.«
»Was tun wir als nächstes?«
»Ich denke, das liegt doch auf der Hand.«
Eadulf überlegte einen Moment.
»Cred, nehme ich an? Wir müssen noch einmal mit ihr reden.«
In Fidelmas Stimme lag Anerkennung. »Ausgezeichnet. Ja, wir müssen noch einmal mit ihr reden, denn wenn Samradáns Kutscher recht hatte, dann weiß die Wirtin mehr, als sie uns verraten hat.«
»Nun, ich meine, die Lösung ist klar.«
Das klang so
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