Tod in der Königsburg
»Warum nicht?«
Sie schritten über den Höhlenboden, der von Flechten und Moosen glitschig war, und betraten den Gang. Bald weitete er sich zu einer größeren Kammer. Sie war trocken und staubig. Eadulf spürte beim Einatmen den Staub im Mund und in der Luftröhre. Er mußte husten.
Staub und Steinbrocken bedeckten den Boden. Fidelma blieb stehen und hob ihre Kerze so hoch wie möglich.
»An der Felswand wurde gearbeitet«, stellte Eadulf fest. »Wo sind wir hier gelandet? In einem Bergwerk?«
Fidelma wollte erwidern, das sei doch offensichtlich, doch sie hielt sich zurück. Sie kannte ihre scharfe Zunge. Eadulf hatte es nicht verdient, daß er sie so oft zu spüren bekam. Siehatte in letzter Zeit oft über ihr Verhältnis zu Eadulf nachgedacht. Seine Schwächen gingen ihr zunehmend auf die Nerven. Seit neun Monaten waren sie nun zusammen unterwegs und hatten gemeinsam viele Gefahren bestanden. Dennoch war sie mit ihrer Freundschaft unzufrieden und wußte doch nicht, warum. Sie schien ständig darauf zu warten, daß er einen Fehler machte. Wie lautete der alte Spruch? Das Aufrechnen ist das Ende der Freundschaft?
Ihre Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück.
»Der Felsen hier besteht mehr aus Granit als aus Kalkstein. Ungewöhnlich. Sieh mal, diese Adern im Granit, das ist Silberglanz.«
Stirnrunzelnd schaute ihr Eadulf über die Schulter.
»Silber? Ist das ein richtiges Silberbergwerk?«
»Jemand hat hier gearbeitet, und zwar erst kürzlich.« Sie wies auf ein kaputtes Werkzeug am Boden. Nach der frischen Bruchstelle des Stils der Spitzhacke zu urteilen, lag sie nicht länger als ein paar Tage hier.
Inzwischen hatte Eadulf einen Gesteinsklumpen aufgehoben und rieb daran. Im Licht der Kerze erkannten sie die Adern weißen Erzes.
»Gehen wir weiter«, bestimmte Fidelma. »Vielleicht erfahren wir dort vorn mehr.«
Der Gang war wieder so eng, daß sie nur hintereinander gehen konnten. Bald kamen sie nur noch in gebückter Haltung vorwärts. Nach einer Weile hörten sie Wasser rauschen.
»Da vorn ist Licht zu sehen«, sagte Fidelma plötzlich. »Diesmal ist es Tageslicht. Wir sind fast am Ausgang.«
Nur auf Händen und Knien gelangten sie nach draußen. Als sie sich erhoben, standen sie unter einem überhängendenKalksteinfelsen und sahen einen Teich, der von Wasser gespeist wurde, das rauschend aus dem Felsen hervorsprudelte.
»Eine Quelle«, erklärte Fidelma laut, um sich in diesem Lärm verständlich zu machen.
Sie sahen sich um. Sie hatten anscheinend einen Halbkreis beschrieben, denn das Bethaus und sein Brunnen lagen nördlich von der Abtei, und jetzt waren sie auf ihrer Südseite herausgekommen. Fidelma schätzte, daß es nur vierhundert Meter bis zur Abtei waren. Ihre Mauern wurden von einem Kiefernwäldchen verdeckt. Nur die Türme waren zu sehen.
»Hätte Bruder Bardán diesen ganzen Weg zurückgelegt, wo er doch leicht die Abtei verlassen und über die Felder hierher laufen könnte?« fragte Eadulf. »Und wozu? Meinst du, es gibt da eine Verbindung zu dem Silberabbau?«
Fidelma schwieg. Vermutungen waren zwecklos.
Da erblickte Eadulf etwas auf dem Boden dicht am Ausgang. Er hob es auf.
Es war ein abgerissenes Stück brauner Stoff mit frischen Blutflecken darauf.
»Stammt das vielleicht von Samradáns Kutscher? Könnten es die Wölfe hergeschleppt haben?«
Bei der Erinnerung an ihr Zusammentreffen mit den Wölfen lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Er schaute sich rasch um, ob der Höhleneingang Spuren eines Wolfslagers erkennen ließe.
Fidelma nahm ihm das Stück Stoff ab und betrachtete es. Mit düsterer Miene schüttelte sie den Kopf.
»Samradáns Kutscher trug keine Kleidung dieser Art. Solchen Stoff tragen gewöhnlich Mönche und Nonnen.«
Sie schaute sich um. Vom Höhleneingang her fiel der Boden leicht ab. Das Gras war von weidenden Tieren kurz gehalten. Fidelma zeigte nach unten.
»Der Erdboden ist weich und morastig. Hier haben kürzlich viele Pferde und schwere Wagen gestanden. Sieh dir die tiefen Spuren an.«
»Woher weißt du, daß es erst kürzlich war?« fragte Eadulf.
»Die Spuren bleiben auf solchem Boden nicht länger als vierundzwanzig Stunden sichtbar . . .« Sie ließ sich rasch auf ein Knie nieder. »Schau dir diesen Blutfleck an, er ist noch nicht trocken. Es dürfte dasselbe Blut sein wie auf dem Stoff.«
Eadulf bestätigte das mit einem Kopfnicken.
»Nicht älter als ein paar Stunden. Das schließt Samradáns Kutscher aus.«
»Und die Leute aus dem
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