Tod in der Königsburg
Unterschied.
»Ich nehme an, Bruder Bardán hat deine Wunden behandelt, seit du dich hier versteckt hältst? Du hast niemandem getraut?«
»Es ist schwer, jemandem zu vertrauen, besonders wenn du von einem betrogen worden bist, den du dein ganzes Leben lang gekannt hast, von deinem eigenen Fleisch und Blut, mit dem du aufgewachsen bist. Wenn dich deine Verwandten betrügen, wem kannst du dann noch trauen?«
Fidelma winkte Eadulf, er möge sich setzen. Er tat es widerwillig, ohne die Augen von dem fülligen Mönch zu lassen.
»Du sprichst von deinem Zwillingsbruder, nicht wahr?« fragte Fidelma.
»Natürlich.«
»Zwillingsbruder?« wiederholte Eadulf begriffsstutzig.
Bruder Mochta nickte traurig. »Mein Zwillingsbruder! Dubrauchst nicht drum herumzureden, Schwester. Bruder Bardán hat mir berichtet, wie er in Cashel getötet wurde. Ja, es war mein Zwillingsbruder Baoill.«
»Der Verdacht war mir schon vor einer Weile gekommen«, sagte Fidelma. »Ein Mensch kann nicht an zwei Orten zugleich sein oder zwei verschiedene Tonsuren tragen. Die Lösung des Rätsels konnte nur darin bestehen, daß es sich um zwei Personen handelt. Wie können sie dann so gleich aussehen? Nur wenn sie eng verwandt sind, Geschwister oder gar Zwillinge.«
Bruder Mochta nickte traurig. »Ja, wir sahen uns täuschend ähnlich«, bestätigte er. »Wie habt ihr mich hier gefunden? Hat euch Bardán gesagt, wo ich bin? Wir sprachen gestern darüber, nach dem Überfall. Er begann zu glauben, daß wir euch trauen könnten. Doch dann sah er dich im Gespräch mit Solam, dem Anwalt von den Uí Fidgente. Auch Solam möchte gern wissen, wo ich mich aufhalte.«
»Hat Bardán deshalb die Überreste einer unbekannten Leiche als von dir stammend identifiziert?« fragte Fidelma.
»Ich fand den Einfall nicht gut, aber Bardán meinte, es wäre das einzige Mittel, Solam davon abzubringen, weiter nach mir zu suchen. Er wollte Zeit gewinnen, damit wir uns absprechen könnten, was zu tun sei.«
»Du erzählst uns wohl am besten, wie du in diese Lage geraten bist«, forderte ihn Fidelma auf.
Bruder Mochta sah sie nachdenklich an. »Kann ich dir vertrauen?«
»Die Frage kann ich dir nicht beantworten«, erwiderte Fidelma. »Ich kann dir nur sagen, daß ich Colgús Schwester bin und meine Treue Muman gehört. Ich bin
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und habe geschworen, das Recht zu wahren und über alles anderezu stellen. Wenn das nicht ausreicht, mir zu vertrauen, kann ich nichts weiter hinzufügen.«
Bruder Mochta schwieg und schien mit einer Entscheidung zu ringen.
»Wieviel weißt du von der Geschichte?« fragte er schließlich.
Fidelma zuckte die Achseln. »Sehr wenig. Ich weiß, daß du dein Verschwinden vorgetäuscht und die meisten der heiligen Reliquien mitgenommen hast. Ich nehme an, dein Bruder hat eine davon stehlen können, nämlich Ailbes Kruzifix, und bei dem Kampf wurdest du verletzt. Du trautest niemandem und verstecktest dich hier, und Bruder Bardán versorgte dich mit Nahrung und Heilmitteln. Wo ist er jetzt eigentlich?«
Bruder Mochta war ratlos.
»Bruder Bardán? Ich habe ihn seit gestern abend nicht gesehen. Hat er euch denn nicht hergeschickt?«
Fidelma beugte sich vor. Ihre Stimme gewann an Schärfe.
»Heißt das, er ist den ganzen Vormittag nicht hier gewesen?«
Der Mönch schüttelte verwundert den Kopf. »Ich warte auf ihn, denn gestern abend haben wir besprochen, daß wir Schutz suchen sollten, besonders nach dem Überfall.«
»Schutz bei wem?«
»Bardán wollte zum Fürsten von Cnoc Áine gehen und ihm die Geschichte erzählen. Wir wußten, daß Finguine der Abtei freundlich gesonnen und ein treu ergebener Vetter des Königs ist. Wir wollten ihm die Sache vorstellen, und Finguine sollte dann entscheiden, ob wir dich in Kenntnis setzen. Als ihr jetzt kamt, dachte ich, Finguine oder Bardán hätten euch geschickt . . .« Beunruhigt brach er ab. »Wie habt ihr mich denn gefunden?« forschte er.
»Mit Glück«, brummte Eadulf, noch immer verwirrt von der ganzen Angelegenheit.
»Warum habt ihr mir nicht vertraut und mir nicht gesagt, daß du in Sicherheit bist, sobald ich in die Abtei kam?« grollte Fidelma. Sie ärgerte sich über den Zeitverlust durch diese Geheimniskrämerei.
Bruder Mochta lächelte dünn und schmerzlich. Er verlagerte das linke Bein, um die Wunde zu schonen.
»Wir wußten nicht, ob wir dir trauen konnten, Schwester. Wir wußten nicht, wer unsere Freunde und wer unsere Feinde sind.«
»Ich bin die Schwester des Königs von
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