Tod in der Walpurgisnacht
Gebäck mit Marmelade in der Mitte.
Linda hatte sich an einen Tisch am anderen Ende des Raumes gesetzt. Vielleicht war das Taktik, denn es wurde nur allzu schnell getratscht. Oder sie interessierte sich doch nicht so sehr für ihn. Er blieb sitzen, trank Kaffee, aß die Schnecke und den Marmeladenkeks und ging dann zu Linda, um sich zu bedanken.
»Ich lasse von mir hören«, sagte sie lächelnd.
Ehe Claesson das Gemeindehaus verließ, ging er noch auf die Toilette. Als er rauskam, stand bei der Garderobe ein Mann und wartete auf ihn. Er war groß und stämmig, mit Stiernacken, Igelfrisur und glattrasierten, rotflammigen Wangen von der Sorte, die immer frisch aussehen. Der Mann war wahrscheinlich um die fünfzig und sah nett aus.
»Ich würde gern mit dem Herrn Kommissar sprechen«, sagte er. »Jeppson.« Er streckte ihm eine große Hand hin. »Peo Jeppson«, ergänzte er und nickte zur Tür.
Sie gingen hinaus und stellten sich in den Schatten unter einen großen Ahorn.
»Also, Skoglund und ich kannten uns schon lange, er ist circa zehn Jahre älter als ich. Wir arbeiten in der Hütte, beziehungsweise er hat das auch gemacht, und ich arbeite immer noch dort. Was ich sagen wollte, ist, dass ich weiß, was für ein Typ er war. Wenn man das so nennt.«
Er zog seine Hose hoch. Claesson hörte zu.
»Also, Skoglund war so einer, der immer mit allem durchkommt, er ist … oder war«, berichtigte er sich, »verdammt geschickt mit dem Glas, aber auch damit, andere zu manipulieren. Mit mir ging das nicht, und dafür hab ich ganz schön büßen müssen. Doch dann haben wir einen neuen Werkmeister bekommen, der nicht alles so macht wie Skoglund, und jetzt läuft es auch für mich gut.«
Er verstummte und suchte nach Worten.
»Was hat er denn manipuliert?«, fragte Claesson.
»Er wollte immer der Beste sein, auch wenn er es mal nicht war. War eine Zeitlang in der Gewerkschaft. Wenn einer sich hocharbeitete, ja, es kamen halt ständig welche, die gut mit den Designern konnten und so, oder die einfach in dem Moment gut lernten. Aber dann zog Skoglund andere Saiten auf, dann wurde hinter dem Rücken eine Menge Scheiß geredet, er hat jede Menge Gerüchte verbreitet, welche Fehler man schon gemacht hätte und dass der und der ganz unzufrieden mit einem sei und so weiter.«
»Könnte man sagen, dass die Leute Angst vor ihm hatten?«
Peo Jeppson hatte ein paar Tics, er blinzelte manisch und leckte sich gleichzeitig die Lippen.
»Ja, doch, das war es wohl. Ich habe mir eingebildet, keine Angst vor ihm zu haben, er war ja auch viel weniger als ich … also körperlich. Aber die Wahrheit ist, dass ziemlich viele es echt schön fanden, als er in Rente ging. Es herrschte dann einfach bessere Luft. Leider kam er trotzdem noch andauernd in die Hütte gerannt. Er mochte nicht zu Hause sitzen, was für seine Frau sicher gut war, denn die hat ja auch ihr Päckchen zu tragen gehabt, so ein taktvoller Mensch, die Mariana. Nett und lieb. Man hat es sofort gespürt, wenn er in der Hütte herumschlich oder in der Frühstückspause oder zum Mittag auftauchte. Und Mattias, sein Sohn, der Junge kann einem ja echt leidtun. Der Junge hat ja keine Chance gehabt, der Vater war andauernd hinter ihm her, und er wurde so richtig in die Mangel genommen. Er ist ein netter Kerl, aber kein großes Licht. Aber er war sehr nett zu seinem Vater, das muss man wirklich sagen.«
»Wer hat Skoglunds Arbeitsbereich übernommen, als er in Rente ging?«, fragte Claesson.
Peo Jeppson blies die Backen auf.
»Ich, zusammen mit mehreren anderen.«
Was für ein Wunder, dachte Claesson und nickte.
»Ja, und da gibt es noch etwas«, sagte Peo Jeppson.
»Lassen Sie hören.«
»Skoglund war sehr hilfsbereit, fast so, dass es zu viel des Guten sein konnte.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich denke da an die Nachbarn, denen er geholfen hat, als der Mann bei einem Autounfall ums Leben kam. Das dürfte so fünfzehn, zwanzig Jahre her sein.«
»Und was hat er da gemacht?«
»Er war bei der Familie, hat sich gekümmert …« Der Blick wanderte vielsagend hin und her.
»Ach. Vergessen Sie es!«, sagte Jeppson dann. »Man muss die Vergangenheit auch mal loslassen.«
Muss man das?, fragte sich Claesson im Stillen.
»Gut, dann gehe ich mal und trinke meinen Kaffee aus«, sagte Peo Jeppson entschieden, nickte und verschwand rasch wieder im Gemeindehaus.
Kapitel 44
Hilda, Sonntag, den 3. April 2011
H ilda wartete auf der Veranda, während Sam das rote Haus
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