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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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sagte Claesson schließlich ausweichend, »sonst müssen wir das auf morgen verschieben.«
    Lerde nickte und verschwand. Claesson wollte lieber selbst in die Glashütte gehen, und er wollte Lundin dabeihaben.
    Lundin rief seine Frau an, die eine Thermoskanne Kaffee vorbeibringen würde. Als er eben aufgelegt hatte, fuhr das Auto aus Kalmar vor, und zwei Polizisten stiegen aus: sein Sohn Lasse und die Polizistin, die auch schon am Walpurgisabend dabei gewesen war. Eine Brünette, so um die vierzig, schätzte Lundin.
    »Ella«, stellte sie sich mit einem festen Händedruck vor.
    Genau, so hieß sie, dachte Lundin.
    Claesson entschied sich, zu Fuß zur Kirche zu gehen, denn er wollte sich ein bisschen die Beine vertreten. Nach einem Blick auf die Uhr beeilte er sich, um es noch rechtzeitig zu schaffen, ehe der Gottesdienst vorbei war.
    Als er leichten, federnden Schrittes auf den Kirchhof einbog, stellte er fest, dass die Gemeinde immer noch in der Kirche war, denn auf dem Platz davor war keine Menschenseele zu sehen.
    Aus dem Innern der Kirche strömte ihm Orgelmusik entgegen, nachdem er das schwere Holzportal aufgezogen hatte. Er blieb kurz im Vorraum stehen, um Atem zu holen, und glitt dann geräuschlos auf weichen Gummisohlen hinein. Plötzlich hatte er einen Kloß im Hals, die Töne von den Orgelpfeifen drangen direkt durch ihn hindurch, und er musste schlucken. Vorn am Altar stand eine Person, deren Rücken er sofort erkannte.
    Es war Linda Forsell. Der Herzschlag war im ganzen Körper zu spüren.
    Er griff sich ein Informationsblatt über die Kirche und ließ sich in der letzten Kirchenbank am Ausgang nieder, damit er gut sehen konnte. Sie trug das Haar einfach hochgesteckt, der Kopf war leicht vorgebeugt, der Nacken schmal und schutzlos. Vielleicht betete sie oder sammelte sich. Die Sonne spielte in einzelnen Strähnen, die sich gelöst hatten. Wie eine Gloriole, dachte er.
    Sie trug ein weißes bodenlanges Hemd, oder wie man das nun nannte, mit einem hellen Messkragen darüber, auf dem ein abstraktes, goldfarbenes Muster war. Die liturgischen Farben waren ihm ein Mysterium, ebenso unergründlich, wie es wahrscheinlich die Rangabzeichen auf einer Polizeiuniform für andere waren.
    Die Orgelklänge verebbten. Nun wandte sich Linda Forsell der Gemeinde zu. Da er allein dasaß, mehrere leere Bankreihen vor sich, erblickte sie ihn sogleich. Ihre Blicke trafen sich. Er lächelte. Sie schien den Mund zu verziehen, wirkte aber zurückhaltend und geheimnisvoll.
    Linda Forsell teilte den Anwesenden laut mit, dass wegen der tragischen Ereignisse, die in Hjortfors stattgefunden hatten, das Gemeindehaus geöffnet und jedermann herzlich willkommen war. Ihre Stimme wurde von einem Mikrofon verstärkt, und man konnte in dem hohen Kirchenraum einen leichten Nachhall vernehmen.
    Die Gemeinde erhob sich zögerlich, und der Küster nahm die Gesangbücher entgegen. Claesson hatte sich unter die Orgelempore begeben und stand im Schatten zwischen zwei Wandlampen. Von hier aus beobachtete er die aktiven Kirchenbesucher von Hjortfors, die an diesem Tag zahlreich waren, mindestens sechzig Personen. Die meisten waren Frauen mittleren Alters.
    Linda wurde von zwei älteren Damen mit Beschlag belegt. Claesson wartete und betrachtete die aus dem Mittelalter stammenden Altarschreintüren, die im Chor eingemauert waren – davon hatte er im Informationsblatt gelesen.
    Die Kirche selbst stammte nicht aus dem Mittelalter, sondern war eine sogenannte »Tegnérschachtel«, die anstelle einer älteren und kleineren mittelalterlichen Holzkirche errichtet worden war. Es war der Erzbischof von Växjö, Esaias Tegnér, gewesen, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dafür gesorgt hatte, dass die kleinen Kirchen auf dem Lande durch große ersetzt wurden. Die Kirchengemeinden waren überlaufen, und alle sollten in der Kirche Platz haben.
    Endlich ließen die beiden Damen von Linda Forsell ab, und er nickte ihnen freundlich zu, als sie auf dem Weg nach draußen an ihm vorbeikamen.
    »Halloooo!«, sagte die Pfarrerin langgezogen, kam ihm mit einem breiten Lächeln entgegen und ergriff seine beiden Hände.
    Er erwiderte den Gruß mit einem kräftigen Händedruck.
    »Ich hätte noch ein paar Fragen«, begann er.
    »Kommen Sie mit.«
    Sie ließ seine Hände los, und er hatte das vage Gefühl, dass sie eine Person war, die diese warme und direkte körperliche Ausdrucksweise nicht nur ihm angedeihen ließ. Er ging mit ihr in die Sakristei. Der

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