Tod in Garmisch
sah er doch auf. »Bin ich
ein Hamburger?«
»Hamburger sind aus Fleisch«, antwortete Burgl.
»Nein, Hamburger sind aus Hamburg. Und essen
Fischfrikadellen. Ständig.«
Er hatte im Autoradio auf einer Fahrt zur
Staatsanwaltschaft nach München mal ein Stück von einer Hamburger Gruppe
gehört, und die Stelle »Dann ess ich auf die Schnelle noch ‘ne Fischfrikadelle«
war ihm nie mehr aus dem Kopf gegangen. Seitdem stellte er sich vor, dass der
Hamburger sich von nichts anderem ernährte. Er hatte allerdings seit seiner
Bundeswehrzeit keinen Hamburger mehr kennengelernt.
»Was schönes Gebratenes! Forelle! Wie wär’s mit
Forelle?«, schlug er betont munter vor.
»Forelle hatten wir neulich schon«, erhielt er zur
Antwort. An »neulich« hatte Schwemmer nur noch eine vage Erinnerung. Und Burgl
setzte noch einen drauf. »Wie wär’s mit Lauchgemüse zu den Pflanzerln?«
Schwemmer gab auf. Er trank seinen Kaffee aus und
faltete die Zeitung zusammen. »Schon recht«, sagte er.
»Fein!«, freute sich Burgl. »Lauchgemüse süßsauer. Das
passt prima.«
Schwemmer schaffte es, nicht aufzustöhnen. Von
süßsauer war natürlich nicht die Rede gewesen, aber er war um diese Tageszeit
einfach noch nicht in der Form, die nötig gewesen wäre, Burgls offensichtlich
schon stehende Planung zu ändern.
»Wunderbar«, sagte er also, während er aufstand. Er
ging zu Burgl und küsste sie auf den Mund. Er sah das Blitzen in ihren Augen,
und er wusste, dass sie genau wusste, was sie getan hatte. Und dass er das
wusste. Es war einer dieser Momente, in denen sie ihren Humor teilten und in
denen er sie wirklich liebte. Er sah ihr in die Augen und lachte, und sie
lachte zurück.
»Du darfst den Wein aussuchen«, sagte sie lächelnd.
»Ja, ja. Und mitbringen«, brummte er.
Er küsste sie zum Abschied in den Nacken und ging aus
dem Haus.
Von gegenüber grüßte ihn die alte Frau Schmitt aus
ihrem Küchenfenster, er winkte zurück. Er sah die Straße entlang.
Frühlingssonne auf der Zugspitze, ein milder Wind. Erstes Grün und Gelb auf den
Büschen in den ordentlichen Vorgärten der schmucken Einfamilienhäuser. Ein paar
Kinder schleppten ihre Ranzen zur Schule.
Schwemmer grinste in sich hinein. Lauchgemüse süßsauer,
dachte er, la vie est dure .
* * *
Magdalena stand an dem unbeschrankten Bahnübergang,
während der Acht-Uhr-Zug nach Mittenwald an ihr vorbeirauschte. Dass dieser Zug
sie hier aufhielt, bedeutete, dass sie zu spät ins Hotel kommen würde.
Immer wieder schüttelte sie den Kopf. Wie konnte
Maiche nur auf einen Menschen schießen?
Inständig hoffte sie, dass er nicht getroffen hatte.
Er schießt nicht mehr gut, das hatte Hias doch eben
noch gesagt, ermutigte sie sich.
Maiches Sturheit war immer schwierig gewesen, aber
langsam ging sie über das Maß hinaus, mit dem seine Mitmenschen noch umgehen
konnten.
Altersstarrsinn war das Wort, das ihr einfiel.
Ärger mit der Polizei war etwas, für das sie nun
überhaupt keine Zeit hatte.
Das Hotel kostete sie mehr Kraft, als sie sich
eingestehen mochte, und sich um Mutter und Großvater zu kümmern war dann fast
mehr, als sie zu leisten imstande war.
Sie schalt sich sofort heftig für diesen Gedanken,
denn natürlich waren die beiden wichtiger als jedes Hotel, aber dennoch dankte
sie dem Herrgott, dass die zwei noch so gut beieinander waren. Und sie wusste:
Das konnte sich schnell ändern.
Der Zug war vorbei, und sie fuhr zur Bundesstraße
hoch. Die Wagenkolonnen an diesem Morgen waren in beide Richtungen schier
endlos. Sie hatte das Gefühl, minutenlang an der Einmündung zu stehen, ohne
dass sich eine genügend große Lücke auftat. Schließlich verlor sie die Nerven
und zwängte sich zwischen zwei ortseinwärts fahrende Autos, was ihr prompt eine
gleißende Xenon-Beschimpfung durch einen dunklen 3er- BMW eintrug.
Sie fluchte lauthals und nicht druckreif auf dessen
Fahrer – eine Möglichkeit, die sie am Autofahren sehr schätzte und ausgiebig zu
nutzen pflegte. In den seltenen Fällen, in denen sie Beifahrer hatte, war es
dabei schon zu peinlichen Situationen gekommen. Auch deshalb fuhr sie lieber
allein. Sie steuerte ihren winzigen Bus durch Partenkirchen, wechselte immer
wieder die Spur, aber jeder Wagen, den sie überholte, tauchte bald darauf
wieder neben ihr auf. An der Hindenburgstraße bog sie nach Garmisch ab,
unterquerte die Bahn und umrundete den Kurpark.
Als sie den Wagen auf dem engen Hotelparkplatz
abstellte, sah sie, dass sie wirklich
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