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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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damit Klavierstudenten hier üben können. Pianistin scheinen Sie aber keine zu sein, sonst würden Sie das Klavier nicht in der Schreibtischschublade suchen.«
    »Ich studiere in der Liedklasse von Frau Professor Jameson.« Sie räusperte sich. »Ab Herbst.«
    »Eine angehende Sängerin, nun, das erklärt manches.« Sofronsky schmunzelte. »Aber nicht, warum Sie meine Schublade durchwühlen!« Seine Augen schimmerten feucht, sie erinnerten Vera an Vaters Augen, wenn sie ihn enttäuscht hatte. Sofronsky strich sich ein paarmal über den grau melierten Kinnbart.
    »Ich habe ein Taschentuch gesucht.«
    »Ah, dann haben Sie wohl Schnupfen!« Er zog ein Stofftaschentuch aus seiner Brusttasche und reichte es ihr. Jetzt lächelte er. Unzählige Fältchen liefen strahlenförmig von seinen Augenwinkeln zu den Schläfen.
    Vera schnäuzte sich kräftig, knüllte das Taschentuch zusammen und steckte es in ihre Hosentasche.
    »Ein Paket mit Papiertaschentüchern liegt übrigens auf dem Schreibtisch, vor Ihrer Nase. Sie hätten die Schublade gar nicht öffnen müssen«, sagte er und zwinkerte. »Aber wenn man so verschnupft ist wie Sie, sieht man natürlich schlecht.«
    Vera schwieg. Sie war noch nie eine gute Lügnerin gewesen.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag.« Sofronsky lächelte noch immer. »Meine Mittagspause ist kurz, und ich müsste eine Kleinigkeit essen gehen. Begleiten Sie mich ins Café Sacher. Da setzen wir uns an einen ruhigen Tisch, und Sie erzählen mir, was Sie wirklich gesucht haben.«
    Warum sieht man nicht, dass er ein Schwein ist? Warum sieht er sympathisch aus und hat Vaters Augen?
    »Sind Sie einverstanden?«
    »Ja. Ja, natürlich.« Mist. Ob ihr auf dem Weg ins Sacher eine weniger abstruse Ausrede einfallen würde? Oder sollte sie es mit der Wahrheit probieren?
     
    Keine zehn Minuten später saß sie Sofronsky gegenüber in einer lauschigen Ecke des Kaffeehauses. Er bestellte ein kleines Bier und ein Sacherwürstl, Vera begnügte sich in Anbetracht der Preise wieder einmal mit Espresso. Die Kellnerin trug ein weißes Spitzenhäubchen und troff vor Freundlichkeit.
    »Also, Frau Meyer. Ich höre.«
    Vera schluckte. »Ich habe Ihre Schülerblätter durchgesehen und wollte mir die Adresse einer ehemaligen Schülerin von Ihnen aufschreiben. Xenia Dimitropoulos. Natürlich war es unhöflich, deshalb in Ihren Schubladen zu wühlen. Entschuldigen Sie bitte. Ich hätte einfach auf Sie warten und Sie fragen sollen.«
    »Ah, das sehen Sie also ein. Wunderbar! Allerdings kenne ich Xenias derzeitige Adresse nicht. Seit ihrer Abschlussprüfung hat sie sich nicht mehr gemeldet. Ich weiß nur, dass sie an der Juilliard School in New York studiert.«
    »Die Adresse ihrer Eltern würde mir schon genügen. Die wissen bestimmt, wo sie sich jetzt aufhält.«
    »Sie wohnen in Mittenwald. Wenn sie nicht inzwischen weggezogen sind.« Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Kennen Sie Xenia?«
    »Nein.«
    »Darf ich fragen, was Sie von ihr wollen? Es muss ziemlich wichtig sein, wenn Sie dafür sogar einen Einbruch in Kauf nehmen.«
    Die Kellnerin servierte das Bier, den Espresso und das Sacherwürstl.
    Vera staunte. Es war ein gewöhnliches Paar Wiener Würstchen, allerdings schwamm es in einer silbernen Karaffe. »Wichtig ist es, sogar ausgesprochen wichtig«, sagte sie.
    »Nichts für ungut, ich glaube Ihnen kein Wort.« Sofronsky schnitt ein Stück von seinem Würstchen ab, tauchte es in den frisch geriebenen Meerrettich und steckte den Bissen in den Mund. Er schwenkte ihn ein paarmal hin und her und schluckte. »Ich glaube eher, dass Sie Geld oder andere Wertsachen gesucht haben. In letzter Zeit kommt immer öfter etwas weg. Ich fürchte, ich muss den Vorfall melden, Frau Meyer.«
    »Vermutlich ist es die beste Lösung, die Polizei zu verständigen. Allerdings werden Sie einiges erklären müssen.«
    Er hob die Brauen.
    »Mein Name ist nicht Meyer, sondern Meyring. Vera Meyring.«
    Sein ohnehin blasses Gesicht sah mit einem Schlag ungesund weiß aus. »Meyring? Dann sind Sie … Isabels Schwester?«
    Vera nickte. »Ich bin nach Innsbruck gekommen, weil mir die Umstände von Isas Tod keine Ruhe lassen.«
    Er legte die Gabel weg und sah sie an. »Ihr Tod ist immer noch unbegreiflich für mich. Sie war so ein großes Talent, so klug und liebenswürdig …«
    »Wissen Sie, woran sie gestorben ist?«
    Für einen Moment schloss er die Augen. »Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Ihre Mutter hat mich

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