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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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»Als Anzahlung, ja. Weil du’s bist.« Sie würde ihm mindestens das Dreifache abluchsen.
    »Wann darf ich dir das Foto vorbeibringen?«
    »Wie wär’s mit übermorgen? Dann können wir auch die Größe und einige andere Details besprechen.«
    »Wunderbar. Passt es dir am späten Nachmittag, so gegen halb sechs? Bis dahin bin ich mit dem Unterricht fertig.«
    »Prima. Also bis bald.«
    »Ich freue mich. Ciao, Brigitte.«
    .Er hatte aufgelegt. Sie kniff sich in den Arm. Nein, es war kein Traum. Sie hatte einen Auftrag!
    Das muss begossen werden, dachte sie.
    Stopp! Reiß dich zusammen. Du säufst dir nicht wieder alles kaputt. Damit ist ein für alle Mal Schluss.
    Sie hatte sich zu lange hängen lassen.
    Aber jetzt, jetzt wollte sie es noch einmal wissen. Sie zog sich die Schuhe aus, ging in die Küche und stellte Kaffee auf.
    * * *
     
    Vera warf einen Blick auf ihr Handydisplay. Sieben Minuten nach eins. Wo blieb der Mistkerl? Sein Schüler war längst weg. Wollte Sofronsky ausgerechnet heute auf seine Mittagspause verzichten? Zum siebten Mal spazierte sie an seiner Zimmertür vorbei in Richtung Treppenhaus. Zum Glück begegnete ihr niemand, das Akademiegebäude lag im Mittagsschlaf.
    Plötzlich hörte sie, dass hinter ihr eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Schritte näherten sich. Mit hocherhobenem Kopf und ohne sich umzusehen, eilte Vera treppauf. Im zweiten Stock lugte sie über den Rand des Treppengeländers. Eine dunkle Gestalt mit schütterem Haar stapfte abwärts und zog dabei den linken Fuß ein wenig nach. Sie wartete, bis Sofronsky außer Sichtweite war, ehe sie in den ersten Stock zurückkehrte. Der Korridor lag düster und wie ausgestorben vor ihr. Vor Sofronskys Zimmer blieb sie kurz stehen, unschlüssig.
    Sie atmete tief durch. Dann drückte sie die Klinke hinunter.
    Unversperrt, wie Mette gesagt hatte.
    Vera trat rasch ein und zog die Tür ins Schloss. Mit klopfendem Herzen sah sie sich um. Das Zimmer war viel größer als das von Joyce. Wie stumme Wächter standen zwei Bösendorfer mitten im Raum und beherrschten ihn. Einer war mit einem Kunststoffüberzug abgedeckt. Die Hülle des zweiten Flügels war zurückgeschlagen. Und auf dem Samtbezug des Klavierhockers, der davor stand, konnte man noch einen Gesäßabdruck erkennen. Außer den schwarzen Monstren bestand das Mobiliar aus einem Schrank, einem Schreibtisch mit vier Schubladen und einem roten Sofa, wie aus dem Ikea-Katalog. Argwöhnisch beäugte Vera die abgenutzten Polster.
    Ob er hier mit Isa …?
    Sie wandte sich ab und rüttelte an der Schranktür. Versperrt.
    Dann widmete sie sich dem Schreibtisch. Alles sah wohlgeordnet aus, spartanisch, nichtssagend. Links außen stand ein aufklappbarer Abreißkalender, daneben lag eine Packung Papiertaschentücher, die rechte Ecke nahm ein Keramikbecher ein, der verschiedene Stifte, eine Schere und ein kurzes Lineal enthielt.
    Vera öffnete die Schubladen. Die drei oberen waren mit Noten angefüllt. Zerfledderte Hefte, einigen fehlte das Titelblatt. Die unterste Schublade enthielt leere Notenblätter, noch mehr Bleistifte und einen schweren Silberrahmen ohne Foto. Unter den Notenblättern blitzte ein Schnellhefter hervor. Vera zog ihn heraus. Sie stieß einen leisen Pfiff aus.
    Die Schülerlisten.
    Mit zitternden Fingern blätterte sie zurück. Sommersemester 2010, Wintersemester 2009/2010, Sommersemester 2009. Sie überflog die Namen. Das Wort »Xenia« stach ihr ins Auge. Xenia Dimitropoulos. Eine Adresse in Mittenwald stand daneben. Vera nahm ein Notenblatt und einen Bleistift, um sich Straße und Hausnummer zu notieren, als sie ein leises Knarren vernahm.
    Sie fuhr herum.
    »Suchen Sie was Bestimmtes?« Die Stimme klang schneidend.
    Sofronsky. Warum war er schon zurück? Nach fünf Minuten! Hitze schoss in Veras Wangen. Rasch ließ sie die Papiere in die Schublade zurückgleiten.
    Los. Erfinde eine Ausrede. Irgendwas. »Bitte verzeihen Sie. Was müssen Sie von mir denken?« Sie musste Zeit gewinnen.
    Sofronsky legte einen Notenband, den er unter dem Arm getragen hatte, auf den Schreibtisch. Vermutlich war er deswegen zurückgekommen. Dann musterte er Vera von Kopf bis Fuß. Seine buschigen Augenbrauen waren zu einer horizontalen Linie zusammengezogen.
    »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Ich heiße Vera Meyer«, log sie. »Ich habe leider kein Klavier zu Hause und wollte Ihre Mittagspause zum Üben nutzen. Es tut mir leid, wenn ich …«
    »Deshalb sperre ich das Zimmer nicht ab,

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