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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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abzulenken.
    »Ich wollte vor dem Schlafengehen noch eine Nektarine essen. Habe sie in Spalten geschnitten und bin dabei abgerutscht. Das Messer war schärfer, als ich dachte.«
    »Ja, ja, Küchenarbeit ist gefährlich.« Er lächelte und ergriff den Nadelhalter. »Ich mache übrigens eine sogenannte Einzelknopfnaht. Da wird jeder Stich extra vernäht.«
    Bestimmt wollte sie das gar nicht wissen, aber seiner Erfahrung nach beruhigte es die Patienten, wenn man ihnen möglichst viel erklärte.
    »In der nächsten Zeit sollten Sie Ruhe geben, Frau Kindler. Bitte kein Klavierspiel und keinerlei Druck auf den Finger ausüben. Und Hände weg von scharfen Messern, okay?«
    Sie nickte. Noch drei Stiche, dann war es geschafft.
    Plötzlich ging die Tür auf. Schwester Rosmarie schaute herein. »Du bist ja noch da, Robert! Hast du dich nicht schon verabschiedet?«
    »Ein Notfall, Rosi. Kannst du bitte Frau Kindlers Daten aufnehmen?«
    Während Rosi Adresse und Versicherungsnummer der Patientin in das Formular eintrug, beendete er die Naht, reinigte die Wunde und legte einen Verband an. Der dicke weiße Finger stand wie ein Fremdkörper von der durchtrainierten Hand der Pianistin ab.
    »Der sollte nicht nass werden«, sagte er. »In zwei Tagen gehen Sie zu Ihrem Hausarzt und lassen die Wunde kontrollieren. Und in zehn Tagen soll er die Fäden ziehen.« Robert kritzelte ein kurzes Schreiben für den Kollegen und gab es dem Mädchen.
    »Danach können Sie langsam und vorsichtig mit dem Klavierspielen beginnen.«
    »Ich bin so froh, dass ich Sie getroffen habe.« Sie strahlte ihn an und stand auf.
    »Warten Sie. Ich gebe Ihnen noch ein Ärztemuster mit.« Robert kramte in einer Schublade und schob ihr eine Medikamentenpackung zu. »Ein Schmerzmittel für den Notfall. Es wirkt auch entzündungshemmend.«
    »Vielen, vielen Dank! Für mein nächstes Konzert schicke ich Ihnen eine Freikarte.« Unter der Tür drehte sie sich um und winkte ihm zu. Jetzt waren ihre Wangen wieder zart gerötet.
    »Darüber würde ich mich freuen«, sagte Robert.
    Als er kurz darauf zum zweiten Mal auf den Klinikausgang zusteuerte, stieß er wieder mit einer jungen Frau zusammen, beinahe an derselben Stelle wie vorhin.
    »Aua!«
    »Hallo, Sabrina. Entschuldige bitte.«
    Die junge Turnusärztin, die erst seit Kurzem in der Unfallambulanz arbeitete, rieb sich die Schulter. »Du hast es aber eilig! Hast du Schluss für heute?«
    »Endlich.«
    »Du klingst, als hättest du Kopfschmerzen.«
    »Gut erkannt. Aus dir wird mal was.« Er zwinkerte.
    »Na dann, erhol dich gut.«
    »Danke. Ciao, Sabrina.« Er lief weiter.
    »Warte! Ich wollte dich noch was fragen. Kennst du eine Brigitte Nemetz?«
    »Nein«, sprudelte es aus Roberts Mund, schneller, als er denken konnte. »Brigitte Nemetz? Nie gehört.« Seine Nase zuckte. »Wieso?«
    »Ich habe am Nachmittag ihre Hand zusammengeflickt. Sie hat sich mit einem zerbrochenen Glas geschnitten, angeblich beim Abspülen. Sah böse aus. Als ich ihren Namen gelesen habe, dachte ich, sie ist vielleicht eine Verwandte von dir.«
    Robert schüttelte den Kopf.
    »Zum Glück. Die war voll bis obenhin. Zum Abschied hat sie mir noch aufs Knie gekotzt.«
    »Klingt ja widerlich. Da bin ich aber froh, dass ich sie nicht kenne.« Er zwang ein Lächeln auf seine Lippen. »Mach’s gut, Sabrina.«
    »Wiedersehen, Robert.«
    Er öffnete die Tür mit solchem Schwung, dass sie hinter ihm krachend ins Schloss fiel und der Portier ihm ein wütendes »He! Was soll das?« nachrief.
    Trotz Tablette hatte der Druck in seinem Kopf noch nicht nachgelassen. Nun war ihm zusätzlich übel.
    Vera kam ihm wieder in den Sinn. Durch seine Schuld saß sie jetzt noch tiefer in der Scheiße als zuvor. Nur weil er gelogen hatte, um ihr zu helfen. Dabei hatte sie ihn nicht um Hilfe gebeten. Hatte er wirklich geglaubt, sie würde deshalb zu ihm zurückkommen? Er lachte bitter auf. Unter Wurz’ Befragung war er eingeknickt wie ein Strohhalm. Jetzt saß Vera in U-Haft, und er hatte sein Scherflein dazu beigetragen. Paul würde vermutlich sagen: »Sei froh, da gehört sie hin! Ich habe gleich gesagt, die ist nicht ganz sauber.« Vielleicht hatte Paul ja recht.
    Und Brigitte? Auch wenn er schon lange nichts mehr für sie empfinden konnte, hatte er sich trotzdem immer um sie gekümmert. Sie finanziell unterstützt. Diesmal hatte er sie im Stich gelassen. Sicher, es geschah aus gutem Grund. Um sie zum Entzug zu zwingen. Leider schien es nicht zu klappen. Nun soff sie

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