Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
Vom Netzwerk:
in der Mitte des Buches an. Die Eltern des Komponisten, John Cage als Kind im Matrosenanzug, als braver Student, ernsthafter Komponist und fröhlicher Pilzforscher. John Cage blödelnd, mit Musikerkollegen. Partituren von John Cage. Kompliziert aussehende Partituren, einfach aussehende Partituren, solche, die nur aus wild hingeschmierten Textanweisungen zu bestehen schienen, und solche, bei denen es anstelle von Noten, Notenlinien und Notenschlüsseln nur Punkte, Pfeile und chaotische Wellenlinien gab.
    Sie blätterte an den Anfang und begann zu lesen.
    * * *
     
    Robert presste die Hände gegen seine Schläfen. Der Druck machte ihn verrückt. Als wäre sein Kopf ein Fahrradschlauch und jemand pumpte unaufhörlich Luft hinein, mit der Absicht, ihn zum Platzen zu bringen. Er schluckte eine Kopfschmerztablette und spülte sie mit einem Schluck Wasser hinunter.
    Verdammte Schinderei .
    Bisher hatte er Dreißig-Stunden-Dienst-Albträume immer erstaunlich gut überstanden. Entweder er wurde alt, oder das Verhör hatte ihm derart zu schaffen gemacht, dass er nun mit heftigen Kopfschmerzen bezahlte.
    »Das heißt nicht Verhör, sondern Vernehmung«, hatte Wurz ihn belehrt. »Und ich bin Chefinspektor und kein Kommissar.«
    Robert schüttelte den Kopf. Er konnte immer noch nicht fassen, dass Vera eine Mörderin sein sollte. Bestimmt war sie das rätselhafteste Wesen auf Erden. Vielleicht besaß er auch keinen Funken Menschenkenntnis.
    Er schrieb den letzten Bericht, heftete ihn ab und stellte den Ordner ins Regal zurück. Geschafft! Drei freie Tage am Stück warteten auf ihn.
    Er winkte der Nachtschwester zu, schlenderte durch den menschenleeren Wartebereich und zwang sich, an etwas Angenehmes zu denken. An sein Bett zum Beispiel, aus dem ihn kein Wecker vertreiben würde. Und an sein nagelneues Mountainbike, mit dem er demnächst losziehen wollte. Als er bei den Fahrstühlen um die Ecke bog, rannte ein junges Mädchen in ihn hinein.
    »Passen Sie doch auf!«, fauchte er sie an. Da sah er die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Sie hielt die rechte Hand vor die Brust gepresst, um den Zeigefinger war ein unförmiger Verband gewickelt, der vor Blut starrte. Ihr blasses Gesicht und die langen weißblonden Zöpfe kamen ihm bekannt vor.
    Natürlich! Das Wunderkind. Mette Kindler, die geniale Pianistin.
    Schluchzend wich sie ihm aus und eilte weiter.
    »Warten Sie! Kann ich Ihnen helfen? Ich bin Arzt.«
    »Mein Finger …« Sie schwankte. Das arme Ding war drauf und dran, umzukippen. »Geschnitten …«
    Rasch nahm Robert ihren Arm und stützte sie.
    »Kommen Sie.« Er führte das Mädchen in das Behandlungszimmer, das er erst vor Minuten verlassen hatte.
    Auf eine halbe Stunde mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an, dachte er und schlüpfte in einen frischen weißen Kittel.
    Sanft drückte Robert die Patientin auf einen Stuhl.
    »Mein Name ist übrigens Dr. Nemetz. Ich habe unlängst Ihr Konzert gehört. Sie waren phänomenal«, sagte er, während er verschiedenes Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel vorbereitete.
    Wieder schluchzte das Mädchen. »Ich werde nie mehr spielen können!«
    »Beruhigen Sie sich, Frau Kindler. Lassen Sie mich die Verletzung mal sehen.« Vorsichtig befreite er ihren Zeigefinger von der blutigen Hülle.
    Ein klaffender Schnitt zog sich quer über die Kuppe. Robert konnte sogar den Knochen sehen.
    »Es ist aus mit dem Spielen, stimmt’s?«, flüsterte sie.
    »Der Schnitt ist tatsächlich sehr tief. Ich werde nähen müssen. Aber die Wundränder sind glatt.« Er berührte den verletzten Finger. »Spüren Sie das?«
    Sie zuckte zurück. »Ja.«
    »Prima. Die Sensibilität ist in Ordnung, es ist also kein Nerv verletzt.«
    »Was heißt das?«
    »Dass Sie spielen werden wie eine Göttin. Allerdings nicht morgen und auch nicht übermorgen.« Er zwinkerte.
    »Wirklich? Sind Sie sicher?« Ein feines Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
    »Ganz sicher. Im schlimmsten Fall bleibt eine winzige Narbe zurück, nur ein weißer Strich, damit Sie die Geschichte später Ihren Enkeln erzählen können.«
    Robert streifte Einweghandschuhe über, desinfizierte den Finger und zog eine Spritze auf. »Sie bekommen jetzt eine lokale Betäubung, dann werde ich die Wunde nähen.«
    Er beobachtete sie aufmerksam. Die Haut über ihren Wangenknochen war vor Blässe fast durchsichtig, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen.
    »Wie ist denn das passiert?«, fragte er, um sie von der Spritze

Weitere Kostenlose Bücher