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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Avanzini
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Betäubungsspritze in der Hand. Als er zum zweiten Mal trinkt, wirble ich herum und injiziere das Narkotikum in seinen Oberschenkel.
    Eins. Er spuckt den Tee aus. Reißt die Augen auf.
    Zwei. Die Tasse zerschellt auf dem Boden, der restliche Tee spritzt in alle Richtungen.
    Fünf. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, das für immer ungesagt bleiben muss.
    Neun. Seine Muskulatur erschlafft. Er kippt vornüber und bleibt freundlicherweise mit dem Oberkörper auf der Tischplatte liegen.
    Ich schneide ihm die Kleider vom Leib. Halb schiebe, halb ziehe ich ihn auf den Küchentisch. Meine Verletzung behindert mich, aber ich beiße die Zähne zusammen.
    Das Umdrehen spare ich mir. Ich werde meine Kunst in seinen Rücken stechen. Er hat einen wunderbaren Rücken, makellos reine Haut ohne Unebenheiten. Zärtlich creme ich sie mit Vaseline ein.
    Die Vorbereitungen laufen wie am Schnürchen. Bald surrt das Tätowiergerät sein eintöniges Lied, und ich fühle mich wie Zarathustra, der gottlose. Ich lasse die Nadeln über die Haut tanzen. Mir ist selbst nach Tanzen und Singen:
    »Es trägt mich dahin, meine Seele tanzt. Tagewerk! Tagewerk! Wer soll der Erde Herr sein? Der Mond ist kühl, der Wind schweigt. Ach! Ach! Flogt ihr schon hoch genug? …«
    Die Türglocke unterbricht meinen Gesang. Noch ein Überraschungsgast? Heute muss mein Glückstag sein.
    »… – es brummt die Glocke, es schnarrt noch das Herz, es gräbt noch der Holzwurm, der Herzenswurm. Ach! Ach! Die Welt ist tief!«

EINUNDZWANZIG
     
    Atemlos blieb Vera stehen. Als sie dem wegfahrenden Taxi nachsah, schoben sich grünlich-weiße Glasziegel wie eine Gletscherzunge in ihr Gesichtsfeld.
    Natürlich, die Hungerburgbahn! Der Stolz der Bürgermeisterin, wie Anna ihr erklärt hatte. Geschaffen von der irakischen Stararchitektin Zaha Hadid, die schon die Bergisel-Schanze gebaut hatte. Die beiden Bauwerke sollten Innsbruck in den Rang einer Weltstadt katapultieren.
    Hauptsache, die Bahn katapultiert mich auf die Hungerburg.
    Vera raste los. Polternd lief sie die Rolltreppe nach unten. Die Bahn stand schon bereit. Vor der Kasse hatte sich eine Schlange gebildet, aber der Fahrkartenautomat war frei. Vera hackte wie wild auf die Tasten ein, fummelte ihre EC-Karte aus der Hosentasche und gab den Code ein. Endlich hielt sie die Fahrkarte in der Hand. Sie umrundete trödelnde Touristen, rannte fast ein Kind um, brachte das Drehkreuz hinter sich und hechtete in den nächstbesten Waggon. Wenige Augenblicke später piepste es zweimal, die Türen schlossen sich. Die Bahn fuhr an. Zunächst verlief die Strecke unterirdisch, dann ging es steil bergauf zur Station Alpenzoo. Vera versuchte erneut, Heisenberg zu erreichen, aber der hatte sein Handy ausgeschaltet. Sie hinterließ eine Nachricht.
    »Mir ist eingefallen, woran mich die Tätowierungen erinnert haben. An eine graphische Partitur. Konkret an eine Komposition von Mette Kindler, einer Schülerin von Sofronsky. Ich bin gerade unterwegs zu ihr. Sie wohnt auf der Hungerburg, in der alten Villa gegenüber der Feuerwehr.«
    Die Tatsache, dass der Oberbulle jetzt wusste, wo sie hinging, gab Vera ein gutes Gefühl.
    Von der Bergstation der Hungerburgbahn waren es nur etwa hundert Meter bis zum Haus von Mettes Tante. Auf der Suche nach einer schönen Joggingstrecke war Vera einmal hier gewesen. Damals hatte sie das Haus nach Mettes Beschreibung sofort erkannt: eine idyllische Villa inmitten von üppigem Grün, genau gegenüber der Feuerwehr. Heute kam es ihr eher wie ein verwunschenes Hexenhaus vor. Mit gemischten Gefühlen öffnete sie die Gartentür.
    Ein nagelneues Mountainbike lehnte an der Hausmauer. »Dr. med. vet. Jakob Pribil«, stand auf einem Messingschild neben der Haustür. Das musste der verstorbene Mann von Mettes Tante sein.
    Vera klingelte.
    Sie hatte sich schon überlegt, was sie sagen wollte. Sie würde Mette um Verzeihung bitten, dass sie in der »Kunstpause« so abweisend gewesen war. Würde sich unauffällig zum Kaffee einladen und dann so harmlos wie möglich nach Mettes Kompositionen fragen, sich eine Partitur zeigen lassen. Und Mette in ein Gespräch verwickeln, bis hoffentlich die Kripo auftauchte.
    Noch einmal betätigte sie den Klingelknopf. Nichts. Nach einiger Zeit drückte sie die Klinke hinunter. Die Tür sprang auf.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis ihre Augen sich an das Dämmerlicht im Haus gewöhnt hatten.
    Niemand war zu sehen. Sie schlich weiter, den Flur entlang.
    Aus dem Augenwinkel

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