Tod in Innsbruck
überquerte die Straße und ging vor bis zum Kongresshaus. Dort stand ein weißer Mercedes mit einem Taxischild. Sie rannte los. Als sie die Hand hob, um dem Fahrer zuzuwinken, fuhr er ihr vor der Nase davon.
* * *
Heisenberg mühte sich die letzten Stufen hinauf. Er keuchte. Höchste Zeit, dass er abdankte. Dieser Beruf war nichts für alte Männer mit Übergewicht. In seinem Mund sammelte sich bitterer Speichel. Er schluckte, atmete tief durch. Dann nickte er Wurz zu.
Der klingelte und presste sein Ohr gegen die Tür. »Ich höre nichts, Chef.«
In dem Moment piepte Heisenbergs Handy los. Auch das noch. Umständlich fummelte er es aus seiner Brusttasche, drückte den Anruf weg und schaltete es aus.
Wurz hämmerte gegen die Tür. »Aufmachen, Kriminalpolizei!«, brüllte er.
Keine Reaktion.
Nur die Tür der Nachbarin öffnete sich. »Ist was passiert?«, fragte eine alte Frau. »Sind Sie von der Polizei?«
»Kripo.« Heisenberg deutete auf seine Dienstmarke. »Es ist alles in Ordnung. Und jetzt schaun S’, dass Sie in Ihre Wohnung kommen.« Die Tür wurde bis auf einen Spalt zugezogen.
Heisenberg drehte sich zu Mitterhofer um. »Rufen S’ den Schlüsseldienst.«
Mitterhofer schlenkerte mit seinen Armen. »Aber wir haben doch keine richterliche Genehmigung.«
»Schmarrn. Gefahr im Verzug.«
»Brauchen Sie vielleicht das da?«, fragte die alte Frau. Sie streckte ihre faltige Hand aus dem Türspalt. An ihrem Zeigefinger baumelte ein Schlüssel an einem Ring.
Heisenberg nahm den Schlüssel an sich und steckte ihn ins Schloss. Dann zog er die Dienstwaffe und entsicherte sie. Wurz und Mitterhofer hielten ihre Glock schon in der Hand. Heisenbergs Herz setzte einen Schlag aus, um sogleich mit erhöhter Frequenz weiterzuschlagen. »Bereit«, sagte er.
Er drehte den Schlüssel um und stieß die Tür auf; blickte nach links, lugte blitzschnell hinter die Tür und betrat die Wohnung. Wurz und Mitterhofer folgten ihm.
Während Mitterhofer Deckung gab, schaute Wurz in das hinterste Zimmer. Heisenberg nahm sich den nächsten Raum vor. Er war leer. Eine Staffelei lag zerbrochen am Boden, das Bett war zerwühlt. Überall zerbrochene Flaschen. Glasscherben am Boden verteilt.
Die Tür der Küche stand sperrangelweit offen. Auch hier war niemand. Berge von Geschirr türmten sich. Essensreste. Es roch nach Schimmel.
»Auf geht’s«, murmelte Heisenberg und öffnete die letzte Tür. Beigefarbener Fliesenboden. Eine Badewanne voll Wasser, aber das Wasser war rot. Hellrot wie Himbeersaft.
Und im Himbeersaft trieb ein lebloser Körper.
Mit Wurz zusammen hob er die Nemetz heraus.
»Rettung verständigen, los, Mitterhofer!«, bellte er. Dann spulte etwas in ihm die vor Langem erlernten Handgriffe ab, von denen er nicht mehr geglaubt hätte, dass er sie noch kannte.
Er riss das nächste Handtuch vom Halter und presste es auf den klaffenden Schnitt am Unterarm der Nemetz.
»Gürtel, Wurz!«, brüllte er. Der riss eine Frotteekordel aus dem Bademantel, der an der Wand hing. Während Heisenberg seine Rechte auf das Handtuch presste, fixierte Wurz die Kordel um den improvisierten Druckverband.
Heisenberg kniete schon über der Nemetz. Der metallische Geruch drehte ihm fast den Magen um. Aber er schluckte die Übelkeit hinunter und drückte dreißigmal seine Handballen gegen ihr Brustbein. Dann überstreckte er ihren Kopf, hielt ihre Nase zu und blies zweimal Luft in ihren Mund. Und wieder pumpte er. Und blies. Er fiel in eine Art Trance. Wie aus der Ferne hörte er Wurz sagen: »Tabletten hat sie auch geschluckt. Und eine Flasche Whiskey. Kombinierter Selbstmordversuch. Das entspricht wohl einem Geständnis, Chef. Oder?«
Da war es wieder. Das Oder. Heisenberg bearbeitete den Brustkorb der Selbstmörderin, bis ihm fast die Arme abfielen. Er blies seinen Atem in ihren Mund, bis er Sterne vor den Augen sah.
Bis ihm der Notarzt auf die Schulter klopfte.
Endlich.
»Bringt ihr sie durch?«, fragte Heisenberg atemlos. Er brauchte die Nemetz lebend. Für ein Geständnis. Unbedingt.
Nach wenigen Augenblicken schüttelte der Arzt den Kopf. »Aussichtslos. Exitus.«
ZWANZIG
Ich schenke meinem Gast eine Tasse Tee ein. Während er sie zum Mund führt, krame ich im Rucksack, den ich vorhin aus den Praxisräumen geholt habe; in dem schon alles bereitliegt für den nächsten Einsatz. Was für ein Glück, dass ich vorausschauend veranlagt bin.
Er denkt, ich suche nach Keksen. Dabei habe ich bereits die
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