Tod in Kreuzberg
wieder zum Tierarzt schleppen?«
»Nicht zu dem vom letzten Mal.«
Dornröschen war abwesend, körperlich und geistig. Sie hatten am Morgen wieder so einen Anruf bekommen, aber sie hatte nicht mehr gezwitschert, sondern wenig gesagt. Sie hätten ihre Worte nicht verstehen können, da sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, aber es drang auch sonst kein Laut nach draußen.
»Dicke Luft«, hatte Twiggy hoffnungsfroh gesagt.
Matti hatte nur seine Hände ein wenig gedreht.
Als Dornröschen erschien, ließ sie sich nichts anmerken. Sie bereitete ihren Tee, guckte hin und wieder auf die Uhr, und dann sagte sie: »Wir haben keine Wahl. Berkan und/oder Ali sind mit von der Partie. Vielleicht erpressen die Typen die Kneipiers im Auftrag von Schmelzers mysteriösen Killern, obwohl ich diese Verschwörungstheorie ziemlich wild finde.«
»Aber wir haben in Rosis Unterlagen nichts dazu gefunden«, sagte Matti.
»Vielleicht haben es die Bullen, vielleicht hat Rosi es woanders aufbewahrt«, sagte Twiggy. »Aber dann hätte es im Päckchen sein müssen, das Rudi uns gegeben hat. Warum sollte sie ein zweites Geheimdepot anlegen?«, fragte Dornröschen.
»Na, was in dem Päckchen war, Rademacher und Spiel im Bordell und so weiter, vielen Dank, auf solche Päckchen kann ich verzichten. Wir müssen auch einkalkulieren, dass Rosi leichtgläubig war. Das gibt es doch, dass Leute alles glauben, was ihnen in den Kram passt.« Dornröschen sprach leise, als würde sie sich beim Nachdenken stören, wenn sie lauter würde.
»Wenn sie Lara nicht umgebracht hätten, wäre ich jetzt wahrscheinlich einverstanden, mit der Sucherei aufzuhören«, sagte Matti.
»Nun ist’s aber gut«, polterte Twiggy. »Wir haben uns vorgenommen, Rosis Mörder zu finden. Haben wir ihn gefunden? Nein. Also, was soll das Geschwätz?«
»Ich glaube, Schmelzer hat recht«, sagte Dornröschen. »Das klingt zwar absurd, aber warum nicht? Ein Killer kann es auch so aussehen lassen, dass es ein … gewöhnlicher Mord ist. Da hat einer Rosi den Schädel eingeschlagen, Killer machen das wohl nicht, obwohl meine Kenntnisse auf diesem Gebiet begrenzt …«
»Endlich mal ein Thema, bei dem du nicht alles weißt«, unterbrach Twiggy genervt.
Dornröschen tippte sich an die Stirn.
Matti grinste. »Wo er recht hat, hat er recht.«
Dornröschen tippte sich noch mal an den Kopf. »Was machen wir jetzt? Laufen Schutzgelderpressern nach, und was entdecken wir dabei?«
»Wir könnten herausfinden, mit wem die sich treffen«, sagte Twiggy.
»Mit ihren Opfern, mit wem sonst?« Matti drehte sich eine Zigarette, und Twiggy schnipste, dass er auch eine wollte.
Robbi jaulte aus Twiggys Zimmer. Der Tonlage nach verlangte er nach jemandem, der ihm das Maul abwischte.
»Wir könnten herausfinden, wer die Auftraggeber sind. Die werden sich doch auch mal treffen«, sagte Twiggy.
»Und wenn die nur telefonieren? Falls das wirklich so Profis sind, werden die sich nicht auf die blöde Tour erwischen lassen und sich mit solchen Hanseln wie Ali Göktan zum Kaffeetrinken verabreden. Außerdem glaube ich sowieso, dass einer von den Göktans Rosi umgebracht hat, auf eigene Rechnung. Aber womöglich haben sie die Oberfinsterlinge gebeten, mir eine Bombe ins Auto zu legen«, widersprach Matti.
»Und wenn Ali Göktan es selbst war? Warum denken wir, dass der das nicht kann? Ist das so schwer, eine Bombe zu bauen?« Dornröschen nippte an ihrem Tee. »Wenn wir den verfolgen, können wir ewig warten, bis wir was rauskriegen, wenn überhaupt. Nein, wir checken sein Umfeld. Und dann erfahren wir, wer Ali Göktan ist. Und wenn wir wissen, wer Ali ist, wissen wir, was wir ihm zutrauen können.«
»Ali war ein guter Schüler«, sagte Wolfgang Müller. Sie hatten sich in Schale geworfen, waren als Vertreter der Industrie- und Handelskammer in der Ernst-Reuter-Oberschule in der Stralsunder Straße aufgetaucht und hatten nach Ali Göktan gefragt. Vorher hatte Dornröschen mit verstellter Stimme als Schulsekretärin bei den Göktans angerufen und angeblich deren Adresse geprüft, weil sie noch ein altes Zeugnis gefunden habe, das Ali bei Bewerbungen fehlen könnte. Frau Göktan hatte gleich bestätigt, dass Ali vor zwei Jahren das Abitur auf der Ernst-Reuter-Oberschule gemacht habe. »Mit einem Durchschnitt von Zwei Komma eins«, wie sie stolz erklärte.
Müller war sein Klassenlehrer gewesen und nun stolz, dass die IHK den ehemaligen Schüler womöglich in ein Förderprogramm aufnehmen
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