Tod in Kreuzberg
Entschädigung leisten«, sagte Matti.
Twiggy schüttelte nur wissend den Kopf.
»Wenn Sie einverstanden sind, Frau Weinert, dann sortieren wir Rosis schriftlichen Nachlass und nehmen mit, was wir vielleicht gebrauchen können. Sie erhalten es zurück, versprochen.«
Frau Weinert nickte. Sie hatte keinen Bissen gegessen und nur an ihrer Teetasse genippt. »Rosi hat mir immer alles erzählt. Das habe ich bis gestern jedenfalls geglaubt. Aber jetzt weiß ich nicht mehr. Dieses Geld, sie hat kein Wort davon gesagt. Und dass sie irgendwas enthüllen wollte … Sie hat mal angedeutet, dass sie Journalistin werden wolle. Aber sie hatte immer Pläne, und keiner ist aufgegangen. Immer kam etwas dazwischen. Sie wollte ein Buch schreiben, aber sie hat nicht mehr als ein paar Seiten geschrieben, schon hatte sie die Zuversicht verloren. Sie wollte Malerin werden, war sogar begabt, finde ich, und Fotografin … Sie wollte so viel und hat so wenig erreicht.«
»Sie hatte viele Freunde. Uns auf jeden Fall. Dann Rudi, der sie geliebt hat, Konny, aber der ist leider auch tot.«
»Von Konny hat sie viel erzählt«, sagte Frau Weinert. »Ich glaube, sie war ein bisschen verliebt in ihn.«
Stille.
Draußen ratterte ein Moped vorbei, darauf ein alter Mann, die Haare verborgen unter einer Lederkappe mit Ohrenklappen.
Sie hatten ein paar Stapel Papier vor sich. Dornröschen nahm jedes Stück in die Hand und zeigte es den anderen. Broschüren packte sie nach kurzer Durchsicht und Rücksprache auf den Stapel der Materialien, die sie nicht mitnehmen wollten. Es kamen die Aktenordner dran.
»Eine Auflistung von CDs mitsamt Titellisten«, sagte Dornröschen und legte den Ordner weg.
»Seminarunterlagen, Zeug von der Uni.« Auf den Stapel.
»Broschüren und Papiere über Mietfragen, darunter ein Berliner Mietspiegel mit mehr als sieben Prozent Steigerung, Wohnungsbaupläne oder, genauer gesagt, Wohnungsbauverweigerungspläne, Materialien zur Luxussanierung, ein toller Prospekt über Lofts mit angebauter Garage und Autoaufzug, das wäre doch was für uns, Kopien von einer Debatte im Abgeordnetenhaus über Mietsteigerungen der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften kurz vor den letzten Senatswahlen, wie ungeschickt, manches hat Rosi angestrichen, hier und da gibt es Anmerkungen, aber so wichtig ist das nicht …«
»Stopp«, sagte Twiggy. »Das nehmen wir mit.«
Das erste Stück auf dem Stapel mit den wichtigen Materialien.
Dornröschen griff sich den nächsten Aktenordner. »Wachstumstheorien, Club of Rome – wie retten wir den Kapitalismus oder tun, was niemals klappt –, eine Skriptsammlung Marx über Wachstum , Materialien der Ökologischen Plattform der seligen PDS/SED – lang, lang ist’s her –, Malthus – na klar, durfte nicht fehlen –, Blätter über bürgerliche Wachstumskritik , eine Kritik der Grünen – irgendwas mit Mainstream, mal was ganz Neues –, eine Arbeit über Profitrate und Wachstum im Kapitalismus und so weiter und so fort.«
Keiner erhob Einspruch, der Ordner konnte hierbleiben.
»Jetzt wird es spannend. Einen Teil davon kennen wir schon, diesmal aber gründlich. Alle drei Ordner mit Ini-Materialien kommen mit.«
»Klare Sache«, sagte Twiggy. »Weiter, Robbi wartet.«
Ein Ordner mit Kochrezepten. Dornröschen blätterte und fand nur Eintöpfe, Fleischgerichte, Nachspeisen. »Gott sei Dank war sie keine Vegetarierin«, sagte Matti.
Ein Ordner mit der Aufschrift Pol war gefüllt mit Seminarmaterialien ihres Politologiestudiums. »Jesse, ach herrje«, sagte Dornröschen.
Mattis Daumen zeigte nach unten.
Ein Ordner mit dem Etikett Euro , darin aber nur ein paar Seiten. »Agrarsubventionen im Agrarhaushalt der Europäischen Union«, las Dornröschen mit gelangweilter Stimme vor. »Öder geht’s nicht.«
Dieser Ordner wurde auch zum Bleiben verurteilt.
Im nächsten fand sich eine Sammlung von Kopien historischer Karten. »Die Mayas, was hatte Rosi mit denen im Sinn? Dann was« – sie klappte eine gefaltete Doppelseite auf – »über Saladins Reich und die Kreuzzüge, das ist doch ein Chaos.« Sie blickte zu Frau Weinert, die sich in die Tür gestellt hatte. »Sagt Ihnen das was?«
Frau Weinert seufzte. »Sie hatte so viele Interessen. Und sie war, ich muss ja ehrlich sein, ein bisschen sprunghaft.« Sie überlegte traurig. »Vielleicht war das sogar ein Wesenszug von ihr. Deswegen stand sie sich oft selbst im Weg. Über die Mayas hat sie mir erzählt …«
»Auch über Saladin?«, fragte
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